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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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beiden Jungen aufgeregt wie Jagdhunde.
    Das Unterholz verströmte einen kräftigen Geruch nach feuchtem Laub und nach Erde, der durch den nahenden Regen noch verstärkt schien. Chib suchte erfolglos nach Spuren, die das Mädchen hinterlassen haben könnte.
    »Ich frage mich, wie sie es angestellt hat, Papa den Schlüssel zu klauen!«, meinte Louis-Marie und sprang hoch, um sich an einen Pinienzweig zu hängen. »Und noch dazu wusste sie, dass es eine echte Pistole war!«, fuhr er fort und schwang sich hin und her wie ein Affe.
    Er hatte Recht. Aber vielleicht dachte sie, sie wäre nicht geladen. Im Übrigen äußerst unvorsichtig von einem Familienvater! Chib kletterte den mit Gestrüpp bewachsenen Abhang hinauf. Plötzlich stolperte er über einen moosbewachsenen Stein und wäre fast gestürzt. Charles kicherte. Chib verspürte das heftige Verlangen, ihm den Hals umzudrehen, vergaß es aber gleich wieder. Da war etwas in dem Hagebuttenstrauch. Zu seiner Rechten. Ein kleiner, glänzender Gegenstand. Er bückte sich, streckte die Hand in die Dornen, spürte die scharfen Spitzen auf seiner Haut und ergriff ihn. Ein kleiner rechteckiger Knopf aus Silber. Ein Manschettenknopf. Er schob ihn in die Tasche.
    »Was haben Sie da aufgehoben?«, fragte Charles.
    »Nichts. Wo ist dein Bruder?«
    »Er spielt Tarzan.«
    Plötzlich tauchte Louis-Marie neben ihnen auf.
    »Tarzan! Wie altmodisch du bist, mein armer Charles!«
    »Tarzan oder Predator, das ist derselbe Kinderkram!«
    »Ach, und mit Barbiepuppen zu spielen ist wohl kein Kinderkram?«
    Nachdem er diesen parthischen Pfeil abgeschossen hatte, rannte Louis-Marie den Abhang hinauf. Chib warf Charles, der einen hochroten Kopf bekommen hatte, einen Seitenblick zu. Ein Jugendlicher von fünfzehn Jahren, der mit Puppen spielt, das ist selten, sagte er sich und drehte den Manschettenknopf zwischen den Fingern. Ein hübscher Knopf, mit einem gravierten großen A. Hatte Andrieu ihn im Unterholz verloren, als er die Leiche von Elilou suchte oder als er sich mit Winnie traf? Was gab es Praktischeres als die leere Villa der Nachbarn für eine schnelle Nummer mit der Verlobten seines besten Freundes und Geschäftspartners?
    Er erreichte die große Terrasse der Labarrieres. Er hätte Noemie anrufen müssen. Es würde ihr nicht gefallen, wenn sie einfach so hier auftauchten. Er zog sein Handy aus der Tasche und warf dabei Louis-Marie, der aus dem Poolhaus kam, einen fragenden Blick zu.
    »Da ist sie nicht«, rief der Junge aufgebracht.
    »Was suchen Sie?«
    Costas tiefe Stimme. Der Gärtner stand an einer Gruppe von Eukalyptusbäumen und sah sie unfreundlich an. Die Arme hatte er auf einer großen Schaufel verschränkt, die in der Erde steckte.
    »Annabelle ist verschwunden«, erklärte Charles, den Blick auf seine Turnschuhe geheftet.
    »Wir haben uns gesagt, dass sie sich vielleicht hier versteckt hat«, fügte Louis-Marie hinzu und hielt die Hand in das Wasser des Pools. »Huuh, ist das kalt.«
    »Ich habe den ganzen Morgen hier gearbeitet. Ich habe niemanden gesehen.«
    »Na gut. Entschuldigen Sie.«
    Costa senkte den Kopf und griff, ohne zu antworten, nach der Schaufel. Chib sah, wie sich seine Muskeln anspannten, während er sie in den festen Boden stach. Kräftige Muskeln, die Charles, das Gesicht leicht abgewandt, mit Blicken verschlang.
    Als sie zum Landhaus zurückkamen, blieb Chib bei der Kapelle stehen.
    »Wartet hier auf mich«, befahl er den Jungen.
    »Oik, oik, oik«, quiekte Louis-Marie, während er so tat, als wolle er Charles mit Fausthieben treffen.
    »Hör auf, verdammt noch mal!«, knurrte der.
    »Oik, oik, oik .«
    Chib lief die Bankreihen entlang und sah unter den Bänken, dann im Beichtstuhl und unter dem Altar nach. Er hatte es eilig, diesen Ort zu verlassen; er machte ihm Angst. Keine Annabelle. Als er hinaustrat, fing es gerade an zu regnen. Dicke, schwere, weiche Tropfen, hartnäckig wie Fliegen. Er hob den Kopf. Große schwarze Wolken, von elektrischen Schauern durchzuckt. Die Jungen waren verschwunden. Er ging zum Wintergarten. Kaum war er eingetreten, brach der Regen richtig los. Blanche erhob sich verstört.
    »Wo kann sie nur sein?!«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden sie finden.«
    »Erzählen Sie doch mit dieser beruhigenden Miene nicht irgendwelche Märchen, das ist nicht auszuhalten.«
    »Dann stellen Sie auch keine Fragen, auf die es keine Antwort gibt!«
    »Sie .«
    Er erfuhr nie, was sie ihm sagen wollte, denn in diesem Augenblick platzte

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