Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
Vom Netzwerk:
zum Chinesen?«
    »Wow, welche Extravaganzen heute Abend . Und wir versuchen, zur Abwechslung mal über Fußball oder Politik zu reden?«
    »Unmöglich«, sagte Chib und griff nach seinem Schlüssel, »das alles geht mir zu sehr im Kopf rum.«
    »Stimmt, du siehst schon fast aus wie eine deiner geliebten Mumien.«

KAPITEL 16
    Um Punkt neun Uhr hielt Chib vor dem Anwesen. Er hatte schlecht geschlafen, war immer wieder aufgewacht und hatte die Ereignisse der letzten zwei Wochen Revue passieren lassen. Um sechs Uhr war er aufgestanden, hatte Frühstück gemacht und Gaelle zum Zug gebracht. Sie gähnte noch, als sie ihm zum Abschied zuwinkte. Er war viel zu nervös, um müde zu sein. Und er hatte den Eindruck, mit Koffein voll gepumpt zu sein. Eine Weile betrachtete er das große Landhaus, das so elegant und freundlich in der Morgensonne lag. Wie ein Lächeln mit falschen Zähnen, dachte er. Dahinter stank es. Und wenn er sich irrte? Wenn niemand Elilou vergewaltigt und ermordet hatte? Das Fehlen des Hymens konnte auch eine erbliche Missbildung sein. Und sie konnte sich ganz einfach das Genick auf der Treppe gebrochen haben. Die einzigen unbestreitbaren Tatsachen waren die gestohlene Leiche, die entweihte Christusstatue, der ermordete Hund, das beschmutzte Foto und die gestohlene Pistole. Die deuteten wohl auf einen Psychopathen, nicht aber zwangsläufig auf einen Kindermörder hin. Fleisch, Urin, Eingeweide, Sperma und eine Schusswaffe. Verbarg sich hinter diesen fünf Elementen zusammengenommen ein Sinn? Ergaben sie eine Nachricht?
    Er seufzte und verließ die behagliche Wärme seines Kabrioletts. Es war noch immer windig und kühl. Er schlug den Jackenkragen hoch und gab den Code ein, mit dem sich das Tor öffnete.
    Andrieus Wagen war nicht da. Kein Laut drang aus dem Haus. Die Kinder waren vermutlich in der Schule. Blanche war allein. Nein, Chib, sie ist allein mit Colette und Aicha, sie ist also nicht wirklich allein. Du suchst jetzt Costa und näherst dich nicht dem Haus.
    Er riss sich zusammen und machte sich auf die Suche nach dem Gärtner. Ein Blick durch die weit geöffnete Tür des Werkzeugschuppens sagte ihm, dass dort niemand war. Er beschloss, im Obstgarten nachzusehen. In der Nähe eines blühenden Orangenbaums stand eine Schubkarre mit einer Schaufel. Chib streckte sich, dehnte die Muskeln seiner verspannten Schultern. Er ging an dem mit einem himmelblauen Netz abgedeckten Swimmingpool vorbei, ohne jemanden zu treffen. Er lief schon eine Viertelstunde herum, ohne eine Menschenseele gesehen zu haben. Ideal für einen Einbrecher. Er ging zum Schuppen zurück und trat ein, doch von Costa keine Spur. Vielleicht arbeitete er noch am Brunnen. Mit dem eigenartigen Gefühl, in einer leeren Kulisse herumzuspazieren, folgte er dem mit weiß blühendem Oleander gesäumten Weg.
    Über den Brunnen waren sorgfältig neue Bretter genagelt worden, die den Schacht vollständig bedeckten. Er strich über den Rand; die Steine waren nicht wie am Vorabend eisig und rutschig, sondern trocken und rau. Am Boden, neben seinen Mokassins, lagen ein Hammer und lange Nägel. Costa hatte sein Werkzeug dagelassen, also konnte er nicht weit sein. Er blickte sich fröstelnd um. Warum war er so nervös, wo doch alles so friedlich war?
    Ein blau-gelber Schmetterling ließ sich auf dem Hammer nieder und flog dann enttäuscht weiter zu dem roten Hibiskusstrauch, neben dem sich am Boden ein verknoteter Schlauch schlängelte. Costa hatte offenbar einen Stiefel dagelassen, sagte er sich. Einen Stiefel.
    Ein brauner Gummistiefel. Unter dem Hibiskus. Lauf nicht, geh.
    Der Stiefel war ziemlich groß, mindestens Größe vierundvierzig, und er ging in ein Bein über. Ein Bein in einer blauen, lehmverschmierten Arbeitshose. Chib presste die Lippen zusammen und bückte sich.
    Costa lag auf dem Rücken, einen Ann hinter dem Kopf, den anderen am Körper, und starrte ihn an. Er hatte den Mund geöffnet wie ein Mann, der gerade Siesta machte und leicht schnarchte. Der Schmetterling setzte sich auf seine Lippen und rieb seine zarten Beine an seiner Zunge. Costa blinzelte nicht. Der Schmetterling flog nicht weg, offenbar höchst zufrieden mit seinem neuen Platz. Er bewegte nur ganz leicht die Flügel. Chib berührte die behaarte Hand, die aus dem blauen Ärmel ragte. Kalt. Er beugte sich noch tiefer. Er sah einen Schatten den Blick des Gärtners trüben und hob den Kopf. Es war nur eine Wolke, die sich in den Augen des Toten spiegelte. Jetzt entdeckte er

Weitere Kostenlose Bücher