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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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Wir rödeln wie die Tiere.« Mit Matthias, dem Kollegen aus Augsburg, den ich in der Notaufnahme zufällig treffe, habe ich früher einige Schichten geschoben, wir haben uns im Friedberger RTW so manche Nacht um die Ohren geschlagen. Dann ist er hauptberuflich zur Augsburger Wache, »in die Stadt«, gewechselt. Wie damals trägt er seine hellblonden Haare im Freestyle.
    »Nö«, antworte ich, »war gerade unser erster. Bei uns ist es ruhig.«
    »Hattet ihr nicht den Einsatz in Mering, diesen Verkehrsunfall?«
    »Nein, den hat der Haunstetter Notarzt versorgt. Wir waren in Wulfertshausen. Ausschluss Hinterwandinfarkt.«
    »Und sonst nichts?«
    »Hm, alles ruhig.« Ich nippe an meinen Kakao. Aber er ist noch zu heiß.
    »Wir hatten fünf bisher.«
    Ich rechne: von Beginn der Schicht in Augsburg bis Mitternacht. »Da müsst ihr nonstop unterwegs gewesen sein.«
    »Ja, sag ich doch. Wir rödeln wie die Tiere …« Matthias deutet auf seinen Piepser, diesen kleinen schwarzen Kasten an seinem Gürtel. »Ich hab den in die Hand genommen, und es ging los.«
    Automatisch greife ich auch nach meinem Piepser, der heute noch keinen Ton von sich gegeben hat.
    »Mit welchem Doc fährst du heute?«
    »Lengenfelder.«
    »Ah. Hab ich schon lange nicht mehr gesehen.« Er schaut sich um.
    »Ist noch in der Kabine.«
    Ein Piepser ertönt irgendwo aus einer halb offen stehenden Wagentür.
    »Oh …« Einen Moment später pfeift und vibriert auch der Piepser an meinem Gürtel. »Mist«, sage ich, kippe meinen Kakao in einen Gully und werfe den Becher in einen der umstehenden Eimer mit blauen Müllsäcken. »Kannst du bitte dem Lengenfelder Bescheid geben, der müsste auf Kabine 4 sein.« Nicht immer löst der Piepser in den Räumen der Notaufnahme aus.
    Ich laufe zum Wagen, um den Einsatz aufzunehmen, doch dann finde ich den Kugelschreiber nicht … Ach, da, im Klemmbrett … Ich drücke die 5: Status »Sprechbereit«.
    Aber die Meldung des Leitstellenmitarbeiters am Funk gilt den Kollegen aus Gersthofen.
    »Gersthofen 33/65, Sie sind in der Lechhauser Straße frei?«
    »Positiv.«
    »Dann übernehmen Sie: Schillstraße, Ecke Hans-Böckler, nach Sturz vom Fahrrad bewusstlos. Ebenfalls zu Ihnen unterwegs der 33/04.«
    War das der Einsatz, für den mein Piepser ausgelöst wurde? Und den hat die Leitstelle jetzt dem Gersthofer Notarzt gegeben? Oder gibt es noch einen zweiten gleichzeitig? Ich warte erst einmal die Wiederholung am Funk ab: »Schillstraße – Ecke Hans-Böckler, VU mit Fahrrad – mit dem 33/04.«
    Einen Moment lang ist der Funk dann still. Ich überlege, ob mein »Status 5«, mit dem ich mich schreibbereit gemeldet habe, überhaupt angekommen ist, oder ob ich noch einmal die Taste drücken soll, aber da meldet sich die Leitstelle.
    »33/64, hat sich für Sie dann erledigt. Sie können Richtung fahren.«
    Dr. Lengenfelder steigt keuchend in den Wagen ein: »Und?«
    »Nichts. Die Gersthofener haben sich gerade frei gemeldet, sind näher dran.«
    Er schaut genervt.
    »Schon wieder einen Kakao erfolgreich vernichtet«, sage ich mehr zu mir selbst.
    »Mh?«
    »Ach, nichts.«
    Gemütlich fahre ich in Richtung Wache.
    Vielleicht haben wir Glück, und es bleibt ruhig. Das wäre kein Fehler, ich muss am nächsten Tag spätestens um zehn Uhr im Büro sein.
    Dr. Lengenfelder ist nicht gerade der Typ, der viel redet, und mir ist auch nicht wirklich nach einem Gespräch zumute. Im Radio lief vor unserer Ankunft in der Klinik noch Frank Sinatra, aber jetzt scheint es ein Freejazz-Programm zu sein.
    »Also entweder machen wir das aus oder lauter. Oder wir suchen einen anderen Sender.«
    Stimmt. So halblaut nervt diese Musik irgendwie.
    »Aus«, sage ich und drehe den Radioschalter ganz nach rechts.
    Kein Radio. Kein Funk. Alles ruhig.
    Dann ein Unterzucker in Aichach und irgendwo in Königsbrunn ein Rettungswagen, der sich nach einer Versorgung an seinem Einsatzort wieder frei meldet.
    Als ich in die Thomasstraße biege, meine ich aus dem Augenwinkel jemanden gesehen zu haben, der uns zugewunken hat. Ich bremse ab. Dr. Lengenfelder, der mit Schreibkram beschäftigt ist, schaut hoch.
    »Was ist los? Die Ampel da vorne ist doch grün.«
    »Da hat uns gerade jemand gewunken. Rechts hinter uns.«
    Mein Arzt schaut nach hinten.
    »Ja, stimmt. Da will jemand was von uns … – Na, wenn uns die Leitstelle nichts gibt, fangen wir uns die Einsätze eben selbst ein.«
    Ich drehe um und fahre den beiden Fahrradfahrern, die noch immer winken,

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