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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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noch die Sauerstoffplatte an unsere Trage und stellen das EKG am Fußende neben die Beine des Patienten, dann rollen wir los in Richtung Aufzug.
    »Kennen die sich besonders gut?«, frage ich die Altenpflegerin.
    »Wer?«
    »Na, dieser Herr dort und unser Patient.«
    »Ach, also …« Sie schaut unauffällig in Richtung des Mannes. »Nicht, dass ich wüsste. Aber es kann natürlich trotzdem sein. Ich bin erst seit einem Monat hier.«
    »Ach so …«
    »Wissen Sie«, sagt sie dann noch, während sie in Richtung des Herrn mit dem weißgrau melierten Haar auf dem Gang schaut, »er ist einfach immer sehr besorgt, dass es allen hier gut geht.«
    »Ja, das habe ich gemerkt.«
    Und da kommt er auch schon wieder hinter uns her.
    »Das ist wirklich fürsorglich von Ihnen, dass Sie sich so kümmern«, sage ich, »aber jetzt müssen wir gehen.«
    »Ja sicher, ich muss mich ja auch kümmern. Ich bin nämlich hier der Chef.« Dazu lächelt er.
    Fabian versucht sein Grinsen zu verbergen, während er die Taste am Aufzug drückt.
    Unser Arzt steht neben der Trage und beobachtet die Anzeige auf dem EKG , als sich auch schon die Türen des Aufzugs öffnen. Als wir uns zusammen mit dem Patienten in den Aufzug zwängen, versucht der ältere Herr mitzukommen.
    Aber Bertram schiebt ihn sanft zurück. »So«, sagt er, »und wir gehen jetzt schön brav wieder zurück. In die Klinik können Sie sowieso nicht mitfahren.«
    Der ältere Herr nickt. »Ja«, sagt er, »da haben Sie auch wieder recht. Na dann, alles Gute. Bringen Sie ihn gut hin!«
    Durch die schließenden Aufzugtüren hindurch blickt uns der Mann noch nach. Ein wehmütiger Blick.
    Eigentlich ein lieber Kerl. Schlimm, wenn man so alt wird und sich nicht mehr auskennt.
    Als sich der Aufzug in Bewegung gesetzt hat, schüttelt Fabian den Kopf. »Mann, war der durcheinander! Der ›Chef‹.«
    »Na ja, er meinte es nur gut …«, sage ich.
    Wir grinsen uns alle drei an.
    Nachdem wir den Patienten im Auto haben, wähle ich die Nummer von Ulis Handy, der oben noch seine Sachen zusammenpackt.
    »Du, wenn du gleich runterkommst, pass auf: Der Bewohner aus dem Nebenzimmer wollte gerade noch stiften gehen. Nicht dass der noch abhaut und man ihn später suchen muss.«
    Ich denke an all diese Meldungen, die man immer wieder im Radio hört: »Seit gestern Abend um 18.00 Uhr wird vermisst …«
    Während ich kurz darauf zurücksetze, höre ich hinten Fabians Stimme: »Leitstelle von 33/37 mit Voranmeldung.«
    »Schreibklar«, antwortet die Stimme am Funk, und Fabian fährt fort: »Männlich, zweiundsiebzig Jahre alt, Zustand nach Infarkt, Patient ansprechbar, nicht intubiert, nicht beatmet, Eintreffen ca. eins, acht Minuten.«
    Keine zwanzig Minuten später sitze ich am Schalter der Notaufnahme, um die für die Verwaltung notwendigen Daten weiterzugeben, als Uli ebenfalls eintrifft.
    »Wie geht´s dem Patienten denn?«, will er wissen.
    »Soweit ich mitbekommen habe, ist er stabil.«
    »Na gut.«
    Ich bin fertig mit meinen Angaben, die Akte druckt gerade aus.
    »Und?«, fällt mir noch ein. »Habt ihr den anderen Herrn noch zurück auf sein Zimmer gebracht?«
    Uli grinst. »Wie alt hättest du den denn geschätzt?«
    Ich überlege. »Fünfundsechzig vielleicht oder siebzig … Körperlich sah er noch recht fit aus, nur eben ziemlich durch den Wind.«
    Ulis Grinsen wird breiter.
    »Nein!«, rufe ich.
    Das Grinsen wird noch breiter.
    »Ist nicht wahr, oder?«, sage ich.
    »Doch, Georg. Der ist achtundfünfzig Jahre alt und der Leiter des Altenheims.«
    »Woher weißt du das?«
    »Von Anja«, sagt Uli, »die Nachtschwester aus dem dritten Stock kam noch dazu.«
    »Halleluja …«, entfährt es mir.
    »Ja, da hast du dich schön in die Nesseln gesetzt …«
    Ich überlege noch einmal, wie ich versucht habe, den Mann beiseite zu schieben und werde etwas verlegen.
    »Ach, so schlimm war das ja gar nicht, was ich zu ihm gesagt habe«, versuche ich zu beschwichtigen. »Bertram hat sich da schon eher in die Nesseln gesetzt.«
    »Aha?«
    »Ich bin schon auf sein Gesicht gespannt, wenn wir es ihm erzählen«, lenke ich weiter ab.
    Als Uli zu seinem Doc in die Aufnahmekabine gehen will, dreht er sich noch mal kurz zu mir um. »Ach, und pass auf, dass sie dich nicht irgendwo ohne Dienstkleidung erwischen. Von deinen wenigen Haaren sind auch schon einige grau. Nicht, dass sie dich demnächst …«
    »Jetzt halt bloß den Mund«, stoppe ich seine Frotzelei.

Der Mann an der Wand
    S chon lang unterwegs heute?

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