Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
einen sicheren Verlust zu vermeiden. Beide Zahlungen kommen aus derselben Tasche, und wenn man mit beiden Arten von Problemen gleichzeitig konfrontiert ist, sind die diskrepanten Einstellungen vermutlich nicht optimal.
Die Entscheidungen 1 und 2 ließen sich auf zwei verschiedene Weisen konstruieren:
– Ein enges Framing: eine Folge von zwei einfachen Entscheidungen, die getrennt voneinander betrachtet werden
– Ein weites Framing: eine umfassende Entscheidung mit vier Optionen
Eine weite Einrahmung war in diesem Fall offensichtlich überlegen. Tatsächlich ist sie in jedem Fall, in dem mehrere Entscheidungen zusammen in Betracht gezogen werden sollen, überlegen (oder zumindest nicht unterlegen). Stellen Sie sich eine längere Liste von fünf einfachen (binären) Entscheidungen vor, die gleichzeitig erwogen werden sollen. Der weite (umfassende) Rahmen besteht aus einer einzelnen Wahl mit 32 Optionen. Bei einem engen Framing erhält man eine Folge von fünf einfachen Wahlen. Die Folge von fünf Wahlen ist eine der 32 Optionen des weiten Rahmens. Wird sie die beste sein? Vielleicht, aber nicht sehr wahrscheinlich. Ein rationaler Agent wird sich natürlich für ein weites Framing entscheiden, aber Humans neigen von Natur aus zu einer engen Einrahmung.
Wie dieses Beispiel zeigt, kann unser beschränkter Intellekt logische Konsistenz nicht erreichen. Da wir dazu neigen, nur die jeweils aktuell verfügbaren Informationen zu berücksichtigen (WYSIATI-Regel), und mentale Anstrengung scheuen, treffen wir Entscheidungen tendenziell in dem Maße, wie Probleme auftreten, selbst wenn wir eigens aufgefordert werden, sie gemeinsam zu betrachten. Wir haben weder die Neigung noch die mentalen Ressourcen, unsere Präferenzen konsistent zu strukturieren, und unsere Präferenzen sind auch nicht auf magische Weise auf Kohärenz ausgerichtet, wie sie es im Modell des rationalen Agenten sind.
Samuelsons Problem
Der große Paul Samuelson – ein Gigant unter den Ökonomen des 20. Jahrhunderts – fragte bekanntlich einen Freund, ob er eine Wette auf einen Münzwurf eingehen würde, bei dem er 100 Dollar verlieren oder 200 Dollar gewinnen könnte. Sein Freund antwortete: »Ich werde nicht wetten, weil ich den Verlust von 100 Dollar stärker spüren würde als den Gewinn von 200 Dollar. Aber ich nehme das Angebot an, wenn du versprichst, mich hundert solcher Wetten machen zu lassen.« Sofern Sie kein Entscheidungstheoretiker sind, teilen Sie vermutlich die Intuition von Samuelsons Freund, dass sich das subjektive Risiko verringert, wenn man eine sehr günstige, aber riskante Wette viele Male spielt. Samuelson fand die Antwort seines Freundes interessant und analysierte sie. Er bewies, dass unter einigen sehr spezifischen Bedingungen ein Nutzenmaximierer, der eine einzelne Wette ablehnt, auch das Angebot vieler Wetten ablehnen sollte.
Bemerkenswerterweise schien Samuelson der Tatsache, dass sein Beweis, der selbstverständlich gültig ist, zu einer Schlussfolgerung führte, die dem gesunden Menschenverstand widersprach, keine weitere Beachtung zu schenken: Das Angebot von hundert Wetten ist so verlockend, dass es kein vernünftiger Mensch ablehnen würde. Matthew Rabin und Richard Thaler wiesen darauf hin, dass »eine Lotterie aus hundert Wetten, bei denen man mit gleicher Wahrscheinlichkeit 100 Dollar verlieren oder 200 Dollar gewinnen kann, einen erwarteten Gesamtertrag von 5000 Dollar hat, mit einer Chance von 1 : 2300, überhaupt Geld zu verlieren, und einer Chance von nur 1 : 62 000, mehr als 1000 Dollar zu verlieren«. Sie wollen natürlich darauf hinaus, dass irgendetwas mit der Nutzentheorie als einem Modell rationaler Entscheidung nicht stimmen kann, wenn sie, unter welchen Umständen auch immer, mit solch einer törichten Präferenz vereinbar ist. Samuelson hatte Rabins Beweis der absurden Folgen einer starken Verlustaversion bei kleinen Wetten nicht gekannt, aber er hätte ihn bestimmt nicht überrascht. Seine Bereitschaft, die Möglichkeit überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass es rational sein könnte, das »Paket« abzulehnen, belegt die Wirkmächtigkeit des rationalen Modells.
Nehmen wir an, eine sehr einfache Wertfunktion beschreibe die Präferenzen von Samuelsons Freund (nennen wir ihn Sam). Um seine Verlustaversion auszudrücken, schreibt Sam die Wette zuerst um, nachdem er jeden Verlust mit einem Faktor von zwei multipliziert hat. Anschließend berechnet er den Erwartungswert
der umgeschriebenen Wette.
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