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Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
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Schulterknochens die Wunde etwas weiter auf.
    Nicht dass ihm das sonderlich etwas ausgemacht hätte.
    Er griff in seine Jackentasche und nahm das Pillenröhrchen raus. Weiße und gelbe. Er hatte vergessen, wie viele er nehmen sollte, deshalb schüttete er sich von jeder Farbe ein paar in den Mund und zerdrückte sie mit seiner Zunge zu einer bitter schmeckenden Paste. Als er das Zeug runtergeschluckt hatte, bemerkte er einen Mann. Um die fünfzig, einen Meter achtzig groß – und damit groß für einen Asiaten –, trug er eine Baggyjacke, das ideale Kleidungsstück, um darunter ein Waffenholster zu verbergen. Der Mann bog in die Straße ein, blickte kurz in Rotmaskes Richtung, bevor er zwischen den Apartmentkomplexen auf der Südseite verschwand.
    Rotmaske biss die Kiefer aufeinander. Er sah den Typen nicht das erste Mal. Der Mann war nicht zu übersehen. Sein Gang war auffällig, als hätte er Rückenprobleme. Als wäre sein Rückgrat nicht aus Knochen und Knorpeln, sondern aus Holz geschnitzt. Jedenfalls ging er, als hätte er einen Stock verschluckt.
    Rotmaske kannte diesen Gang. Er hatte so was schon häufiger in seiner Heimat Kambodscha gesehen. Es war die Folge einer Krankheit. Die Dorfbewohner nannten sie »Baumkreuz« oder »die Krankheit aus dem Norden«, Rotmaske wusste jedoch um die wahre Ursache. Es war eine Strafe.
    Schlechtes Karma.
    Das erste Mal hatte er diesen Mann wahrgenommen, als er Sheung Fas Büro verließ. Der Gedanke wog schwer in seiner Brust, denn er konnte nur eins bedeuten.
    Dieser Mann war ein Mörder.
    Rotmaske lief zur Ecke East Hastings. Betrat das Jin Ho Café. Die Kellnerin eilte zu ihm und bot ihm einen Stuhl an, doch er lief weiter zu den Toiletten. Auf der Herrentoilette war ein kleines Fenster, von dort aus konnte man unbemerkt die Straße überblicken.
    Kurz darauf tauchte der mysteriöse Typ vor ihm auf dem Bürgersteig auf. Trotz seiner steifen Beine bewegte er sich erstaunlich flink und geschmeidig.
    Plötzlich überkam eine Woge eisiger Kälte Rotmaskes Magengrube. Der Mann hatte ein großflächiges Gesicht, wie die Leute aus dem Norden, mit hohen, breiten Wangenknochen und schmalen, harten Augen. Rotmaske erkannte ihn wieder. Es war der Mann mit dem Bambuskreuz. Rotmaske war ihm über zwanzig Jahre lang nicht mehr begegnet.
    Der Mann war hier, um ihn zu töten.
74
    Es war fast drei Uhr nachmittags, als die beiden Detectives die Simon Fraser University erreichten. Der Campus befand sich oben auf dem Barnaby Mountain, eine gute halbe Stunde Fahrzeit aus der Stadt. Die Rushhour war schlimm gewesen.
    Vom Parkplatz liefen Striker und Felicia durch die kleine offene Mall, die von Cafeterien, Coffeeshops und Buchhandlungen gesäumt war. Es war kalt und windig draußen. Daran vermochten auch die Sonnenstrahlen, die durch das orangerote Laub der Bäume fielen, nichts zu ändern.
    Der Winter stand vor der Tür.
    Striker beobachtete die Studenten, die in den Cafés saßen. Und war erstaunt, dass sie unvergleichlich reifer wirkten als die Highschoolkids. Er schätzte die Meisten auf achtzehn, neunzehn bis Anfang zwanzig. Erwachsene. Auffällig war, dass etliche Halloweenkostüme trugen. Klar, heute war Halloween, Freitag, und in der Menge tummelte sich so ziemlich alles von der Nonne bis zum schwarzen Ninja. Angesichts der maskierten Gestalten verströmte der Campus eine dunkle Aura, einen Hauch von Nervenkitzel, und Striker fühlte sich spontan an die St. Patrick’s High zurückversetzt.
    Er fühlte, wie seine Handflächen feucht wurden. Er schwitzte. Angstschweiß.
    Er versuchte, seine Bedenken zu zerstreuen und sich mit irgendetwas abzulenken. Sein Blick glitt zu einer jungen Blondine, deren große Brüste beinahe das sexy Schwesternkostüm sprengten.
    Â»Hast du auch so ein Outfit?«, grinste er zu seiner Kollegin.
    Â»Ja, aber meins ist mehr im Kathy-Bates-Stil.«
    Â»Würdest mich wohl gern mal so quälen, wie die perverse Krankenschwester es in diesem Roman macht, hm?«
    Â»Glaub mir, es gibt Tage, da könnte ich dich sogar mit wachsender Begeisterung umbringen!«
    Er lachte, und das Lachen tat gut.
    Sie schlenderten zum Ende des Arkadengangs, wo weniger Leute waren, und Striker atmete erleichtert auf. Dort trennten sie sich, auf der Suche nach Hinweisschildern. Sie wollten ins Auditorium. Um sich einen Vortrag anzuhören, den Grace

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