Schnittmuster
Feuer in ihren Augen erlosch so schnell wie ein abgebranntes Streichholz. Sie blickte zu Boden, die langen Haare verschatteten ihr Gesicht.
»Das stimmt nicht, Dad. Der Akku war leer.«
»Das nehm ich dir nicht ab.«
»Du glaubst mir nicht?«
»Du hast es immerhin geschafft, den Text auf deiner Mailbox zu ändern. Drei Mal.«
»Der ändert sich willkürlich.«
»Willkürlich?«
»Ich hab mehrere unterschiedliche Texte draufgesprochen â alles Britney-Kram. Sie wechseln automatisch.«
Striker blieb zunächst stumm. Er atmete tief durch, rieb sich mit der Hand über sein Gesicht. Er stand kurz vor dem Zusammenbruch.
»Verdammt« â das war alles, was er rausbrachte.
»Es tut mir leid, Dad«, sagte Courtney. »Ich hatte keine Ahnung. Echt. Ich hatte null ⦠null â¦Â«
Sie bedeckte mit den Händen ihr Gesicht und unterdrückte ein Schluchzen. Unversehens verloren sich Ãrger und Entrüstung, und Striker empfand wie üblich Schuldgefühle. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Er nahm Courtney erneut in die Arme und küsste sie auf die Stirn. Betete zu Gott, es möge wieder wie früher sein.
Bevor Amanda gestorben war.
»Manchmal«, hob er an, »denke ich, ich bin schneller darüber hinweggekommen als du, weil du ihr so ähnlich bist. Wenn ich mit dir zusammen bin, empfinde ich oft so, als wäre sie noch da. Du weiÃt, dass ich dich nie aufgeben würde, Courtney. Nicht mal für eine Millisekunde.«
»Ich weiÃ, Dad.«
»Ich hab mich um die Amoktäter gekümmert, weil ich wusste, dass dir nichts fehlt.«
»Ich weiÃ.«
»Und weil ich überzeugt war, dass weitere Kids dran glauben müssten, wenn ich nichts unternommen hätte.«
»Dad, ich weiÃ. Ich bin bloà ⦠irgendwie erschlagen. Gestresst. Gott, ich glaube, ich gehe ins Bett und schlafe mal richtig aus. Ich bin so was von müde.«
Sie drückte ihn kurz, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Als sie die Arme von seinen Schultern löste, hielt er sie noch eine kurze Weile fest. Als Striker sie loslieÃ, wirbelte sie herum und lief in ihr Zimmer. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen und warf ihm über die Schulter einen Blick zu.
»Hast du schon gegessen?«
»Ich kann mir selbst was zum Abendessen machen, Mäuschen.«
Sie lachte. »Logo. Bohneneintopf mit Speck oder Pichelsteiner?«
»Ich weià was Besseres: Nutellabrote.«
Sie grinste. »Macht mir wirklich nichts aus, dir eben den Fisch zu braten.«
»Geh schlafen, Mäuschen.«
Sie zögerte. »Versprich mir, dass du was Gesundes isst.«
Er hielt eine Hand hoch und schwor ihr grinsend: »Alles, was ich nicht mag und was ich ganz besonders hasse.«
»Ich liebe dich, Dad«, murmelte sie, bevor sie im Flur verschwand.
Striker sah ihr nach, hilflos und deprimiert wie nach Amandas Tod. Innerhalb von fünf Minuten waren seine Emotionen von Liebe in Zorn und Unverständnis umgeschlagen â und jetzt empfand er wieder unendliche Liebe für seine Tochter. Vermischt mit reichlich Schuldgefühlen. Bisweilen stellte er sich vor, seine Empfindungen wären ein endloser Ozean und er eine Boje, die in den gurgelnden Wassermassen trudelte, getrieben von Strömung und Gezeiten.
Für gewöhnlich waren die Strömungen gefährlich und unberechenbar.
»Ich liebe dich, Courtney«, sagte er.
Aber da war sie schon fort.
26
Als Felicia bei ihm klingelte, war es mitten in der Nacht. Zwar hatte es aufgehört zu regnen, aber der Sturm hielt an und fegte heulend ums Haus. Striker hatte drauÃen das leise schnurrende Motorengeräusch eines Streifenwagens gehört â diese Crown Vics hatten einen unverkennbaren Sound â und das kurze Aufblenden von Scheinwerfern vor dem Fenster registriert.
Er schwang sich von der Couch und schaute hinaus. Felicia trottete über die Auffahrt, ihr hübsches kreolisch anmutendes Gesicht von dem sanften Schein der AuÃenbeleuchtung erhellt.
Sie sah müde aus, geschafft. Verdammt, sie war bestimmt fertig mit der Welt und mit den Nerven.
Trotzdem war sie schön, wunderschön. Striker stellte es jedes Mal wieder fest, wenn er sie anschaute. Er fragte sich oft, warum er ihre Beziehung vor einem halben Jahr beendet hatte.
Er hatte eine schwierige Zeit durchgemacht, beruhigte er sich dann.
Und die Entscheidung war richtig
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