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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Einzige ist, die so viel zu bewältigen hat. Außerdem hat sie sich dieses Leben doch ausgesucht. Wenn es nach mir ginge, würde ich nicht in die Schule gehen. Aber ich werde gezwungen. Wer hat meine Mutter gezwungen, eine Familie zu gründen, die ihr scheinbar nur auf die Nerven geht? Wer hat sie gezwungen, sich ihren Schülern gegenüber auch noch wie eine Mutter zu verhalten? Wer hat sie gezwungen, zu den drei Kindern noch ein viertes anzunehmen? Wer zwingt sie denn, sich um meine Unordnung zu kümmern? Niemand. Sie selbst macht das und meint dann wir seien schuld daran, dass sie sich schlapp fühlt. So ein Unsinn! Manchmal kotzt mich diese soziale Ader meiner Mutter an. Meine Schwester ist genauso, keine Ahnung, warum ich so ein egoistisches, kleines Arschlochkind geworden bin, wie es meine Mutter wahrscheinlich liebend gern mal sagen würde, wenn sie sich trauen würde, solche Ausdrücke zu benutzen. Na und? Ich bin egoistisch. Ich bin mir selbst der Nächste. Jeder ist sich selbst der Nächste. Das ist meine Meinung. Damit sage ich nicht, dass man ohne Rücksicht auf Verluste sein Ding durchziehen soll, dass man anderen schaden sollte, um seinen Willen durchzusetzen. Ich meine nur, dass mein Wohl bei mir an erster Stelle steht, und das halte ich für gesund. Meine Mutter stempelt das immer als schrecklich egoistisch ab, das nervt. Sie redet manchmal mit mir, wenn ich solche Aussagen treffe, als sei ich kriminell, als sei ich irgendein Massenmörder, dabei sage ich nur, dass ich mich gut fühlen will. Sie ist schrecklich. In solchen Momenten denke ich, sie dreht durch. Sie hat dann überhaupt keinen Bezug mehr zur Realität, es gibt nur gute Menschen und schlechte, und jeder der sich selbst wichtig ist, der ist ein schlechter Mensch, und zu dieser Gruppe stellt sie dann auch ihre eigene Tochter. Dann spricht sie so, als wolle sie ein Todesurteil über mich verhängen. Ich verstehe nicht, wie man sein Kind so böse anschauen kann. Als ob sie mich, ohne mit der Wimper zu zucken, für eine bessere Welt opfern würde. Und wer ist dann das Opfer?
    Anja
    Es hat geklappt. Gott sei Dank. Leslie ist wohlbehalten im Jugendwohnheim gelandet. Und sie hat sogar Aussicht auf eine neue Pflegefamilie. Es ist die Familie ihrer besten Freundin und Sportkameradin, die sich als Einzelkind freut, Leslie als Pflegeschwester zu bekommen.
    Die Klasse hat Vertrauen zu mir. Ich wünschte, meine Kinder hätten auch erwachsene Bezugspersonen, denen sie anvertrauen, was sie mir nicht sagen können. Aber weder unsere besten Freunde noch die Großeltern wissen mehr, als ich über sie weiß. Nur ihre Altersgenossen werden in alles eingeweiht, aber wirklich weiterhelfen können sie auch nicht immer. Jonas hat in der Familie seiner Freundin Ansprechpartner gefunden. Auch die Familie von Andreas ist begeistert von Anna; aber für Anna ist die Beziehung mit Andreas vor allem kräfteraubend, wie mir scheint. Anna nimmt ihm alles ab. Und Karl und ich haben zweimal miterlebt, wie er sich in volltrunkenem Zustand benimmt. Er beschimpft Anna dann auf übelste Weise, dass er nicht die Hand gegen sie erhebt, ist alles. Ich verstehe nicht, warum sie sich das bieten lässt. Und ich habe Angst, dass sie ähnliche Erfahrungen machen muss wie ich mit ihrem leiblichen Vater. Anna liebt Karl heiß und innig, aber als Partner hat sie nun jemanden, der ein starkes Suchtverhalten an den Tag legt. Alkohol bekommt Andreas gar nicht. Anna gibt uns recht, auch ihre beste Freundin äußert ihr Unverständnis. Aber Anna kann nicht von Andreas lassen. Sie liebt ihn, und deshalb möchte sie Diskussionen über dieses Thema gar nicht mehr führen. Sie ist ein starkes Mädchen, denn trotz privatem Stress führt sie ihre Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte erfolgreich zu Ende und macht nun nebenberuflich ihr Abitur nach. Es ist unglaublich, wie sehr ihre Biografie meiner ähnelt. Meike meint nur, dass sie ein solch anstrengendes Leben, wie ich und Anna es haben, niemals führen möchte.
    Manchmal bin ich verblüfft über Meike.
    Meike
    Sozial sein, sozial sein. Gib alles, nimm nichts. Mach es allen recht, nur dir selbst nicht. Das meint meine Mutter. Und meine Schwester hält es ähnlich, nur dass sie eher zu bemerken scheint, dass Selbstlosigkeit oft Nachteile hat. Für meine Mutter scheint diese Selbstlosigkeit, sich einfach von allen in Stücke reißen zu lassen und selbst an sich nichts mehr zu haben, der Lebensinhalt zu sein. Irgendetwas Erleuchtendes muss das

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