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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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für sie sein. Ich weiß nicht wieso, wahrscheinlich ist es ihr angeboren. Ich bin anders. Ich reiße mich selbst zur Genüge in Stücke, da brauch ich nicht noch andere Menschen, die an mir herumzerren und irgendwas von mir verlangen, was mich nur noch schwächer macht. Meinetwegen ist Selbstlosigkeit nichts Negatives, wenn man außer Acht lässt, dass der Selbstlose selbst daran zugrunde geht. Wenn meiner Mutter alles über den Kopf wächst, weil man eben nicht immer nur geben kann, dann brüllt und motzt und tobt sie und würde wahrscheinlich am liebsten alle fertig machen und alles hinschmeißen. Wie sozial! Wenn alle Menschen so wären, würde es dementsprechend eine ganze Weile Friede, Freude, Eierkuchen geben, platzte dann aber doch mal jemandem der Kragen, würde sich die Menschheit vermutlich einer Kettenreaktion ähnlich selbst auslöschen, also schneller, als sie es jetzt bereits tut. Wunderbar.
    Letztlich ist es so, dass selbst der Selbstloseste der schlimmste Egoist ist. Warum sonst ist der Mensch rücksichtsvoll und hilfsbereit und aufopfernd, wenn er sich davon nicht irgendetwas verspricht? Manche Menschen fühlen sich gut dabei, gute Dinge zu tun, wollen dann aber bitte schön auch dafür gelobt werden. Hallo? Wenn ihr es doch gern macht, und sei es nur auf irgendeine verquere masochistische Weise, dann müsste doch euer Hochgefühl nach der guten Tat Lob genug sein.
    Anja
    Ich werde Meike nichts mehr erzählen. Kann es das denn sein? Aber so, wie sie reagiert, wenn ich etwas aus der Schule erzähle, hat es tatsächlich keinen Sinn. Ich werde angebrüllt, dass mir die Ohren wegfliegen – und mache manchmal auch noch den Fehler zurückzubrüllen. Bei Meike ist es das Beste, wenn ich mich schweigend zurückziehe. Neidvoll denke ich an die Erzählungen einer Kollegin, deren Kinder immer neugierig waren, welche Story sie heute wieder aus der Schule mitbringen würde. Allerdings ist das eine Weile her. Ihre Kinder sind so alt wie Jonas und Anna und ich denke schuldbewusst, dass diese Kinder wesentlich ruhiger aufgewachsen sind. Weder waren sie Scheidungskinder, wie die Großen, noch hatten sie einen stressigen Pflegebruder zu verdauen wie Meike. Aber schweigen? Erziehung kommt mir vor wie tausend Fäden, die unentwirrbar verschlungen sind. Man denkt, wenn man ein Ende fasst, könnte man das Knäuel entwirren, aber plötzlich löst sich der Faden, man hat ein Stück in den Händen, das mit dem Rest nichts zu tun hat und muss von vorn anfangen. Zum Beispiel der Faden Kommunikation . Ich habe es unendlich vermisst, mit meinen Eltern reden zu können. Gespräche über unser Innenleben kann ich an einer Hand abzählen, und selbst die sind dann eher enttäuschend verlaufen. Ich wusste, dass meine Eltern Probleme hatten, und immer wieder bat ich um Aufklärung, aber sie sprachen nicht darüber. Streit, Traurigkeit, Hochgefühl, Enttäuschung, Freude und wieder Streit wechselten, ohne dass ich diese Stimmungen auf irgendetwas in unserer wahrnehmbaren Realität zurückführen konnte. Es gab etwas nicht Greifbares. Und so entwickelte ich mit der Zeit ein Angstgefühl. Eine Angst, deren konkreten Ursprung ich nicht benennen konnte. Einmal habe ich geträumt, ich stehe in Rufweite vor meinem Elternhaus und sehe eine brennende Rakete darauf zurasen. Ich versuche zu schreien und meine Eltern zu warnen, aber ich habe meine Zahnspange im Mund und ihre Drähte winden sich so um meine Zähne, dass ich den Mund nicht öffnen kann. Ich muss zusehen, wie die Rakete auf unser Haus stürzt. Geheimnis und Schweigen waren der Fels, der sich in meiner Jugend auf meine Brust legte, und ich wollte natürlich nicht, dass dieser Fels auch meine Kinder bedrückt. Bin ich deshalb versessen auf Gesprächskultur und Austausch? Keinesfalls will ich das Gespräch zwischen den Kindern und mir abbrechen lassen. Auch mit Karl unterhalte ich mich gern und viel, und er mag das ebenfalls.
    Na ja, diesen Faden Kommunikation halte ich nun in der Hand. Einerseits habe ich das Gefühl, Meike fühlt sich vernachlässigt, wenn ich nicht mit ihr rede – unabhängig vom Thema. Andererseits habe ich den Eindruck, sie fühlt sich gestört, wenn ich mit ihr rede – gleichgültig, worum es geht.
    Für mich weiß ich, was richtig ist: reden, bis die letzte Ungereimtheit vom Tisch ist. Aber das ist anstrengend. Denn obwohl man redet und man denkt, man hätte sich klar ausgedrückt, hören die anderen etwas ganz anderes.
    Und was ist wohl für Meike

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