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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Fernsehen doch Zeit genug war, Computerprobleme zu lösen. Aber das ist seine Sache, auch wenn es mich ärgert. Richtet Meike ihre Anliegen an mich, fällt meine Reaktion unterschiedlich aus. Meike benimmt sich häufig wie ein Kleinkind, finde ich. Zum Teil war ihre Kleinkindphase durch Marvin blockiert, deshalb gestehe ich ihr einiges zu – aber ich habe meine Grenzen! Und wenn ich diese Grenzen setze, wird Meike wütend. Sie schreit herum und benimmt sich wie ein Tyrann. Dann platzt sie mit irgendwelchen Anschuldigungen heraus: »Ihr habt ja nie Zeit für mich, es wäre euch völlig egal, wenn ich nicht da wäre. Steckt mich doch auch ins Heim, wenn ich euch lästig bin!«
    Was jetzt?, denke ich dann. Haben wir sie zu sehr verwöhnt oder doch eher vernachlässigt? Ich sehne mich nach einem friedlichen Leben, einem Leben, in dem man in Ruhe erledigen kann, was ansteht. Aber ich weiß, dass ich Meike etwas schuldig bin. Sie ist fast fünfzehn, das berühmt-berüchtigte schwierige Alter. Karl meint immer, er hatte keine Pubertät, was mir allerdings verdächtig erscheint. An meine Jugend erinnere ich mich nur zu gut, und ich denke an dieses schwarze Loch, diesen Höllenschlund, der sich manchmal vor mir auftat, und ich will einfach nicht, dass Meike dort hineinstürzt.
    Meike
    Meine Eltern wollen ständig irgendetwas von mir. Stellen sie in einem Augenblick mal keine Forderungen, gelten alte Forderungen, die ich noch zu erfüllen habe. Und über all dem schweben die immer gültigen Riesenforderungen: Bring Leistung! Mach einen guten Schulabschluss! Sei lieb! Sei nett! Sei verdammt noch mal freundlich, selbst wenn dir der Sinn nach Massenmorden steht! Meine Eltern merken einfach nicht, dass ich mich dagegen entschieden habe, eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ich sage, was ich denke. Ich sage, was ich fühle. Keine Ahnung, warum das für sie ein Problem darstellt. Wieso sollte ich Rücksicht nehmen, wenn ich mich als Preis dafür selbst belügen und betrügen muss? Warum sollte ich das Wohlbefinden anderer Menschen über mein eigenes stellen? Ich finde ohnehin, dass mein Wohlbefinden eines der wenigen Dinge ist, die man mir zugestehen könnte. Ich muss in der Schule gut sein, obwohl ich nicht in die Schule gehen will. Ich muss auf Familienfeiern brav sein, obwohl ich Familienfeiern hasse. Ich muss zu Freunden meiner Eltern nett sein, dabei sind es doch ihre und nicht meine Freunde. Ich muss dies, ich muss jenes. Ich wurde nicht gefragt, ob ich weiter zur Schule gehen will. Ich werde nie gefragt, wurde nicht einmal gefragt, ob ich geboren werden möchte. Was natürlich nicht gegangen wäre, aber immerhin könnte meine Mutter jetzt endlich einsehen, dass meine Geburt eine falsche Entscheidung von ihr war und sie nun mit den Konsequenzen zu leben hat. Ich will mich ja gar nicht selbst bemitleiden. Ich möchte aber sagen, dass meine Eltern verdammt noch mal keine Forderungen an mich zu stellen haben. NIEMAND hat das Recht, Forderungen an mich zu stellen! Niemand hat mich gefragt, ob ich überhaupt hier sein will! Und dennoch haben sie alle Anforderungen und Erwartungen. Das ist ungerecht. Um dieser Ungerechtigkeit ein bisschen entgegenzuwirken, stelle ich meine Forderungen eben auch. Ich will, dass mein PC funktioniert, ich will Hilfe, wenn ich mit den Hausaufgaben nicht klarkomme. Ich will, dass man mir zuhört, wenn ich eine Frage oder eine Bitte habe. Meine Eltern checken nicht, dass es mein Recht ist, Antworten und Wunscherfüllungen zu bekommen. Sie regen sich dann auf, dass ich nerve, weil sie gerade von der Arbeit kommen oder eine ach so wichtige TV-Sendung sehen wollen. Vor allem meine Mutter, die steigert sich da regelrecht hinein. Das macht mich wütend. Es war ihr Wunsch, mich zu gebären. Jetzt müssen sie damit leben, dass ich auch Wünsche habe. Ende der Geschichte. Ist ja nicht so schwer zu begreifen. Oder?
    Wenn ich darum bitte, ins Heim geschickt zu werden, bekommt meine Mutter jedes Mal die Krise. Sie checkt nicht, dass ich diese Forderung meistens gar nicht böse oder angreifend meine. Ich will ihr damit nicht unterstellen, dass sie glücklicher wäre, wenn ich nicht da wäre. Ich will ihr damit sagen, dass ICH glücklicher wäre, wenn sie mich endlich abschieben würden. Aber das versteht sie nicht. Ich hab ihr das schon so oft gesagt! Sie beharrt jedoch darauf, dass ich meine, sie würde mich nicht mehr wollen. Ich denke doch nur, dass ich hiermit nicht mehr klarkomme und dass sie mit allem

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