Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Dad.« Dann werde ich wieder ernst, denn diese schönen Ferien, die ich damals hier als Kind verbrachte und in denen immer die Sonne schien, waren ein Grund für mich, hierherzuziehen.
»Wir machen besser weiter«, bemerkt Dad und schaut hoch zu dem Hügel hinterm Haus, wo sich am Himmel Wolken vor die Sonne schieben, während diese hinter den Bäumen des Walds verschwindet. Sein Blick wandert zurück zu meinen wunderschönen cremefarbenen Sofas, die wie eine moderne Installation im Hof stehen. »Es sieht nach Regen aus.«
Eine Brise umweht meine Fesseln, erfasst den Boden und wirbelt Staub hoch, während Adam und mein Vater beginnen, dies und das von dem Gerümpel aus der Scheune zu schleppen. Ich zwinge mich, ihnen zu helfen, und spüre, wie mein Körper vor Erschöpfung und Sorgen schwer wird, und der getrocknete Schweiß feine Körner auf meiner Haut hinterlässt. Als ich meiner Mutter von meinen Umzugsplänen aufs Land erzählte, sagte sie, ich würde mich nur an die guten Seiten erinnern, und während ich jetzt auf mein wunderschönes neues Haus schaue und sich mir vor gemischten Gefühlen die Kehle zuschnürt, frage ich mich für einen ganz kurzen Moment, ob sie vielleicht Recht hat.
2
Löffelbiskuits
Am nächsten Morgen öffne ich meine Augen, schaue in kühles, blasses Licht, das auf die frischen Baumwolllaken schwache Schatten wirft, und höre, wie das Haus erwacht: die Holzdielen knarren, als eines der Kinder hinüber zum Bad tappt, die Stimme meines Vaters dringt von draußen durchs Fenster, und Adam singt. Adam ist schon auf? Das ist er nie vor mir. Ich werfe einen Blick auf meinen Wecker – schon nach elf. Ich muss nach all dem Krach und der nächtlichen Ruhestörung, die so gegen halb vier, noch vor Sonnenaufgang, einsetzte, wieder eingeschlafen sein.
Ich setze mich auf und schaue mich um. Mein Kleiderschrank besteht aus einem Einbauschrank, der sich seitlich vom Kaminsims in der Traufe befindet. Das Haus ist zwar noch nicht mit einer Zentralheizung ausgestattet, dafür gibt es aber in jedem Schlafzimmer einen Kamin. In meinem Zimmer liegt kein Teppichboden, sondern nur ein Läufer, den ich bei Ikea gekauft habe und dessen helles geometrisches Design ganz und gar nicht zu der dunkelrot gestreiften Tapete im Regency-Stil passt, die irgendjemand einmal für schick gehalten haben muss. Vor der Fensterbank türmen sich noch unausgepackte Kisten.
Wie das nun mal am Anfang einer Liebesbeziehung so ist, entdecke ich nach und nach auch die kleinen Schwachstellen, aber sie sind mir egal. Das Haus fühlt sich für mich schon wie mein Zuhause an, und ich stoße einen Seufzer der Zufrieden- und Gelassenheit aus.
Irgendetwas ist anders. Ich hatte letzte Nacht nicht mehr diesen Traum, in dem ich immer vergesse, dass David und ich nicht mehr zusammen sind. Ich bin nicht aufgewacht und habe nach ihm gegriffen und die Wärme seines Körpers gesucht, um nichts als einen kalten, leeren Platz neben mir vorzufinden. Ich habe nicht die Knie so weit wie möglich angezogen, fast bis zur Brust, und mich eingerollt, unfähig, die in mir aufsteigende Wut und Scham zu unterdrücken: Wut auf David für das, was er mir, uns und unserer Familie angetan hat, und Wut auf mich, weil ich ihm keine gute Ehefrau gewesen bin – oder zumindest nicht gut genug. Ich bin nicht aufgewacht und spürte jedes Gelenk, und ich fühle mich auch nicht hundeelend.
Ich stehe mit einem Lächeln auf, werfe mich in eine Jeans und ein weites Hemd, spaziere die Treppe hinunter zur Küche und folge dabei dem Geruch von gebratenem Speck. Meine Mutter stellt gerade Kaffeebecher auf die Arbeitsplatte und schaut hoch.
»Du siehst ein bisschen zerknittert aus«, sagt sie zu mir.
»Mir geht’s gut«, erwidere ich und fahre mir mit einer Hand durch mein zerzaustes Haar. Ich bin das gelegentlich mangelnde Taktgefühl meiner Mutter gewöhnt. Sie meint es nicht so, doch kann es manchmal ziemlich verletzend sein. Ich erinnere mich, wie sie reagierte, als ich ihr einen Tag, nachdem David mich verlassen hatte, erzählte, dass es für immer sei. Wir standen damals in der Küche in meinem alten Haus in London, die glänzende schwarze Einbauschränke und rostfreie Stahlarmaturen hatte.
»Wie kommst du darauf, dass er nicht mehr zurückkommen wird«, fragte sie mich.
»Weil« – und ich begann wieder zu weinen – »er ›verliebt‹ ist, was immer das bedeuten mag. Und ich mit meinem Hüftspeck und Buddhabauch nicht mit ihr mithalten kann.«
»Ach, Jennie,
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