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Schnupperküsse: Roman (German Edition)

Schnupperküsse: Roman (German Edition)

Titel: Schnupperküsse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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Metallgestell, einem Fangstand, und mit einem Mal wird mir die Doppeldeutigkeit des Begriffs »von jemandem gefangen zu sein« bewusst.
    Guy schaut hoch und lächelt, als er uns sieht.
    »Ich bin gleich fertig«, sagt er und lässt die Kuh wieder heraus. »Ich behandle sie gegen Mastitis.«
    »Das ist Gabrielle«, erklärt mir Adam, »sie hat eine Euterentzündung. Geht es ihr besser?«, fragt er Guy.
    »Ja, die Entzündung geht langsam zurück«, erwidert Guy. »Wie war der Markt? Ich habe euch heute Morgen wegfahren sehen.«
    »Dad muss arbeiten«, bemerkt Georgia. »Deshalb haben wir Mum geholfen.«
    »Ach so.« Guy schaut mich an. »Ist was?«
    »Erzähl ich dir später.« Bei dem Gedanken, was ich ihm sagen muss, zieht sich mein Herz traurig zusammen. »Ich hab dir ein paar Flaschen Bier mitgebracht.«
    »Danke. Warum stellst du sie nicht in der Milchkammer ab und hilfst mir mit den Kälbern? Sie müssen noch vor dem Melken gefüttert werden.«
    Der hintere Teil eines der Nebengebäude ist abgetrennt und mit einer dicken Strohschicht ausgelegt. Darin befinden sich jeweils fünf rotgraue und weiße Kälber. Sie haben ganz knubbelige Knie und schlagen mit ihren Schwänzen um sich. Als sie uns sehen, kommen sie auf uns zu und lecken unsere Hände ab.
    »Sie sind süß«, sage ich.
    »Sie sind hungrig«, meint Guy daraufhin. Er bereitet Milch in Eimern vor, gießt sie in einen Behälter, an dem sich Zitzen aus Gummi befinden. Alle Kälber – außer einem – liegen schnell an den Zitzen, saugen und wedeln dabei mit ihren Schwänzen. Guy klettert in den Pferch hinein und zeigt dem letzten Kalb die Zitze. Schließlich begreift es, was es tun muss, und beginnt zu trinken.
    »Wo sind ihre Mütter?«, frage ich.
    »Sie bleiben sieben Tage bei ihnen.«
    »Nicht länger?«
    »Ich denke, du hast gehört, wie eine der Kühe vom Feld gerufen hat – sie ist die Mutter des kleinsten Kalbs. Ich habe sie heute Morgen voneinander getrennt.«
    »Das erscheint mir ziemlich grausam. Sie sind doch noch so jung.«
    »So ist das nun mal«, erwidert Guy. »Auf vielen anderen Höfen werden die Kälber nach einem Tag von ihren Müttern getrennt. Das muss sein. Kühe produzieren nun mal erst Milch, wenn sie gekalbt haben. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Danach kehren sie wieder zur Herde zurück, um gemolken zu werden, während ich die Kälber in kleinen Gruppen wie dieser hier großziehe. Die Färsen – also die Mädchen – stoßen später zur Herde hinzu oder ich verkaufe sie. Die kleinen Bullen werden zu Fleisch verarbeitet.«
    Die armen Kühe. Und ihre armen Babys. Ich denke an den Trennungsschmerz, an das starke Band zwischen Mutter und Kind und natürlich an David, wie er versucht, mir die Kinder wegzunehmen … Ich unterdrücke ein Schluchzen, doch dann kann ich mich nicht mehr zurückhalten.
    »Jennie, alles in Ordnung?«, fragt mich Guy leise und unwirsch. »Hab ich irgendetwas gesagt, dass dich verletzt hat? Wenn ja, habe ich das nicht so gemeint. Die Kühe liegen mir am Herzen, und ich trenne sie nicht gerne von ihren Kälbern. Ich bin kein Sadist.«
    »Es hat nichts mit dir zu tun …«
    »Adam, siehst du bitte nach, dass sie die Milch austrinken? Georgia, kannst du Sophie helfen, die Eimer auszuwaschen? Vor dem Melkstand ist ein Wasserhahn.« Ich spüre, wie Guy seinen Arm um meine Schulter legt und mich nach draußen durch den Regen unter das Vordach des Unterstands vor dem Winterquartier der Kühe führt.
    »Was ist los?«, fragt er.
    »Es ist David … Er will mir die Kinder wegnehmen! Er ist fest entschlossen, sie zurück nach London zu holen. Ich weiß nicht, was diesen plötzlichen Sinneswandel ausgelöst hat, denn bisher wollte er sie nicht haben – fand, sie seien eine Belastung und wären besser bei mir, ihrer Mutter, aufgehoben.«
    Guy tröstet mich, hält mich so behutsam in seinen Armen wie Sophie die von ihr eingesammelten Eier, aus Angst, sie könnten kaputtgehen.
    »Ich hab’s den Kindern noch nicht gesagt, doch sie vermuten bestimmt schon, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich möchte es ihnen aber erst sagen, wenn es sein muss …« Tränen der Verzweiflung kullern mir über die Wangen.
    »Ich denke, das bedeutet, wir müssen uns etwas zurückhalten«, sagt Guy.
    Ich nicke kläglich.
    »Erst einmal«, fügt er hinzu. »Jennie, ich kann warten, das weißt du. Und das werde ich so lange tun, wie es sein muss.«
    »Ich weiß aber nicht, wie lange das sein wird«, erkläre ich ihm schluchzend. »Ich

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