Schnupperküsse: Roman (German Edition)
seinen Papagei, wie ich bemerke. Es ist wohl zu kalt für ihn.
»Die Musik hört sich aber nicht sehr traditionell an«, bemerke ich.
»In Schottland schon«, erwidert Guy und drückt meine Hand.
Wir gehen bei insgesamt fünf Obstgärten vorbei, der letzte davon ist der von Jennie’s Folly, wo sich alle, wie auch schon bei den anderen vieren, um den größten Baum versammeln, die Arme zu den kahlen Ästen hochhalten und singen, während ich die Wurzeln des Baums mit Apfelwein begieße und Fifi respektvoll den Stab gegen den Baumstamm schlägt. Im ersten Obstgarten musste ich mir meinen Schal in den Mund stopfen, um nicht laut loszukichern, doch inzwischen erscheint es mir ziemlich normal.
Die Mischung der in der Dunkelheit wippenden Laternen und Taschenlampen, das Gemurmel der Menschen, das Gefühl, unter Freunden zu sein sowie die unterschiedlichen Düfte, die von dem zertretenen Gras, dem Glühmost und Guys Aftershave ausgehen, lassen einen Schauer über meinen Rücken fahren.
Die Mädchen schauen mit großen Augen zu. Adam ist inzwischen blau, vermute ich.
Am Ende der Zeremonie kommt Fifi zu uns.
»Jennie, vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft. Und danke für den Apfelwein, Guy«, fährt sie fort und wendet sich zu ihm. Sie verzieht ihre Lippen, als ob sie gerade überlegt, wie sie das, was sie als Nächstes sagen möchte, am besten formulieren soll. »Es liegt mir fern, mich einzumischen, aber ich hoffe, du hast dir gut überlegt, was du tust. Nein, versuch bitte nicht, mir zu sagen, dass da nichts ist. Ich bin nicht blind, und Ruthie auch nicht.«
»Fifi, misch dich bitte nicht ein!«, sagt Guy streng. »Das geht dich nichts an. Gute Nacht«, fügt er hinzu, greift nach meinem Arm und führt mich weg.
»Was war das denn?«, frage ich ihn. »Warum hat sie Ruthie erwähnt?«
»Das habe ich dir bereits erzählt. Ruthie und ich kennen uns seit Jahren und sind miteinander befreundet. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.« Er hält inne und flüstert mir ins Ohr: »Du bist die einzige Frau für mich …«
»Oh Guy«, seufze ich und kämpfe gegen das Gefühl an, mich spontan in seine Arme zu werfen und auf die Folgen zu pfeifen. Am liebsten würde ich sämtliche Menschen um mich herum vergessen, doch kann ich den Kindern erst dann das Ausmaß unserer Beziehung offenbaren, wenn sie dafür bereit sind. Sie beginnen erst jetzt zu begreifen, dass ihr Vater sich gegen sie entschieden hat, zugunsten des Kindes mit Alice. Ihnen dann auch noch den neuen Freund ihrer Mutter zuzumuten wäre nicht richtig, auch wenn sie Guy schon kennen.
Allerdings liegt es nicht nur an den Kindern, wenn ich ehrlich bin. Der Hauch eines Zweifel hat sich wieder in meinem Kopf eingenistet, an dem Fifi schuld ist, denn sie hat sie wieder erwähnt – Ruthie. In welcher Art von Beziehung steht sie zu Guy?
Als alle Mitwirkenden des Umzugs gegangen sind und außer Krümeln und leeren Bechern nichts übrig gelassen haben, räumt Guy auf, während ich Georgia und Sophie ins Bett bringe. Adam ist zu Hause – das Licht in seinem Zimmer brennt –, so klopfe ich an die Tür.
»Alles in Ordnung?«, frage ich sanft.
»Nacht«, murmelt er.
Erleichtert darüber, dass er zu Hause geblieben und nicht mit den Jungs, mit denen er sich vorhin unterhielt, weitergezogen ist, was ich ihm durchaus zugetraut hätte, gehe ich hinunter zu Guy ins Wohnzimmer und setze mich neben ihn auf das Korbsofa, was unter unserem gemeinsamen Gewicht knarrt.
»Du neben mir – das könnte noch ganz schön aufregend werden«, sagt er lächelnd.
»Na, das hoffe ich doch!« Ich kuschle mich an ihn, und er legt einen Arm um meine Schulter, den anderen um meine Taille. Dann fährt er mit seiner Nase sanft über meine.
»Ist aber heikel«, murmle ich. »Die Kinder.«
»Ich weiß … Sie können jederzeit hereinplatzen.«
Wir sitzen eine Weile nur so da, und im Haus kehrt Stille ein, bis ich nur noch meinen leisen vor sich hin klopfenden Puls und Guys regelmäßiges Atmen höre. Ich berühre sein Gesicht und fahre mit den Fingerspitzen über seine Kieferpartie, die stoppelig und rau ist, und meine Brust zieht sich sehnsüchtig zusammen.
Guys Atem stockt. »Ich mag dich wirklich sehr, Jennie …«
Unsere Lippen berühren sich, wir küssen uns … während von oben laute Geräusche nach unten dringen – ein dumpfer Schlag, eine knallende Tür, jemandem ist schlecht.
»Adam …«
»So kann ein Moment auch zerstört werden«, bemerkt Guy mit einem kläglichen Lächeln auf
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