Schnupperküsse: Roman (German Edition)
vor Aufregung und Nervosität schlecht geworden, doch heute Morgen, abgelenkt durch das Waschen von Brackens Schweif – mit warmem Wasser, nebenbei bemerkt –, dem Anziehen der Transportgamaschen und Zusammenpacken sämtlicher Utensilien, geht es ihr wieder gut. Ich kann nicht glauben, was ihrer Meinung nach alles notwendig ist, um eine Stunde reiten zu gehen. Heunetze, Haarnetze, Bürsten – für sie und das Pony – Sattel, Zaumzeug, Klammern für die Reithose … und so weiter und so fort.
Als Georgia fertig ist, sieht Bracken, im Gegensatz zu ihr, makellos aus. Während die Füße des Ponys durch das Huföl glänzen, ist Georgias Gesicht mit einer feinen Schmutzschicht überzogen. Ich schicke sie nach oben, um sich ihre Reitkleidung anzuziehen – Hemd mit Krawatte des Ponyklubs sowie Jacke und Reithose. Sie kommt die Treppe herunter, als ein Transporter auf der Auffahrt zu hören ist, der zuerst vorbeifährt und dann rückwärts auf den Hof fährt.
»Seid ihr fertig?«, fragt Maria, als wir hinausgehen. Sie hat in dieser Jeans und dem voluminösen Mantel mit seiner schmutzigen, pelzbesetzten Kapuze so gut wie nichts mehr mit der modischen Frau gemein, die mir die Haare schneidet. Camilla ist dem Anlass gemäß gekleidet. Sie trägt eine marineblaue Blousonjacke, auf der in roten Buchstaben der Name ihres Ponys, »Mr. Bojangles«, geschrieben steht. Ich bemerke Georgias sehnsüchtigen Blick darauf.
»Nett von dir, uns abzuholen«, sage ich zu Maria.
»Ach, kein Problem. Es lag auf dem Weg.« Sie lächelt. »Schön, dass Camilla jemanden hat, der mitfährt.«
»Ich hole Bracken«, verkündet Georgia.
»Die Rampe ist schon unten, du musst sie einfach nur hoch in den Transporter führen, Georgia!«
Einfach? Bracken hat da andere Vorstellungen, wie sich herausstellt. Als sie einen Blick in den Transporter wirft, bleibt sie wie angewurzelt auf der Rampe stehen und weigert sich, auch nur einen Schritt vorwärts, rückwärts oder seitwärts zu gehen. Ich hole einen Eimer mit Futter, gemäß Georgias Anweisung, doch auch das funktioniert nicht. So dumm ist Bracken nicht, und so hungrig auch nicht.
»Camilla, bring mir bitte die Longierpeitsche!«, sagt Maria, und Camilla kehrt mit einer langen Peitsche zurück, die Maria über Brackens Hinterteil schwingt.
»Komm, Bracken!«, ruft Georgia in einer Singsangstimme Bracken zu.
Das Pony ist in seinem Element. Es hat die Lage voll im Griff, die Ohren wandern vor und zurück, es verdreht die Augen und schlägt mit seinem Schwanz.
»Habt ihr sie schon mal in einen Transporter geladen?«, fragt mich Maria.
»Nein, haben wir nicht, aber sie ist in einem hierhergebracht worden.«
»Als Nächstes versuchen wir den Trick mit der Longierleine«, erklärt mir Maria, doch bevor Camilla sie holen kann, taucht Guy in seinem Traktor hinter uns auf. Er bleibt in einiger Entfernung stehen, springt heraus und kommt auf uns zu. Mir wird schwer ums Herz, und mein Magen dreht sich mehrfach um, denn wir haben uns seit dem Vorfall mit Ruthie nicht mehr gesehen, und ich bin immer noch verwirrt und bestürzt über das, was passiert ist. Ich war dabei, mich in ihn zu verlieben – falsch, ich hatte mich in ihn verliebt – und gedacht, er würde genauso fühlen, auch wenn er es nicht ausdrücklich gesagt hatte …
Ich schaue ihm ins Gesicht, und er blickt mit zurückhaltender Miene zurück. Er trägt eine Wollmütze, Schal und eine dunkelgrüne Wachsjacke, die richtige Kleidung für dieses kalte Wetter.
»Hilf uns mal kurz!«, ruft Maria ihm zu. »Du kannst doch so gut mit Pferden.«
»Mach ich«, erwidert er. »Ist das für dich in Ordnung, Jennie? Ich muss mit dem Traktor die Auffahrt herunterfahren.«
Ich nicke. Nur zu.
Ein zaghaftes Lächeln erscheint auf seinen Lippen.
»Das Pony weiß, seinen Vorteil zu nutzen …« Er geht auf Bracken zu und spricht kurz mit Georgia, bevor er nach dem Seil an Brackens Hals greift. Er streichelt das Gesicht des Ponys, rüttelt am Seil und führt sie dann geradewegs die Rampe hoch in den Transporter. Maria geht hinter ihm her, schließt die Türen und fährt die Rampe hinter unserem ungezogenen Pony wieder ein.
»Hurra!«, ruft sie und applaudiert, während Guy vorne aus der Tür des Transporters springt. Maria geht zu ihm und küsst ihn auf die Wange, eine Geste, deren Anblick mir einen Stich versetzt. »Danke, Guy.«
»Danke«, sage auch ich, doch kann ich ihm dabei kaum in die Augen schauen.
»Nichts zu danken«, sagt er abweisend
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