Schnupperküsse: Roman (German Edition)
verbergen.«
»Sie waren bereits schwanger, als Sie heirateten?«, fragt Guy.
»Sind Sie wirklich so altmodisch? Es ist doch heute schon fast normal, uneheliche Kinder zu haben.« Amüsiert sehe ich, wie er rot wird.
»Wie lange waren Sie insgesamt zusammen?«, fragt er.
»Siebzehn Jahre, davon vierzehn verheiratet. Wir lernten uns im letzten Jahr an der Uni kennen. David machte gerade seinen Abschluss in Mathematik, ich in englischer Literatur.«
»Dann haben wir mehr gemeinsam, als ich gedacht hätte«, bemerkt Guy. »Ich meine damit nicht die englische Literatur, obwohl ich auch einen Abschluss in Landwirtschaft und Landmanagement habe, sondern eine kaputte Ehe.«
»Über die man eher ungern spricht, oder?«, sage ich. »Warum hat Ihre Ex nicht sofort Ihren Bruder geheiratet?«
»Weil Oliver – mein Bruder – nicht der Typ fürs Heiraten ist beziehungsweise war. Alle liebten ihn. Er war der Sunnyboy der Familie … gesellig und lustig, Frauen fanden ihn unwiderstehlich, und er sah auch gut aus, besser als ich.«
Wie soll das denn möglich sein, wäre es beinahe aus mir herausgeplatzt.
»Er war aber auch verantwortungslos. Mit siebzehn verließ er seine sechzehnjährige Freundin, die ab da sein Kind allein großzog. Und dann hinterging er mich mit meiner Frau.« Guy zögert kurz, bevor er fortfährt. »Als älterer Bruder sollte ich den Hof erben und mein Bruder einen angemessenen finanziellen Ausgleich erhalten. Ich denke, Tasha wollte gerne Ehefrau eines Bauern sein. Sie wollte den Hof – ob als Statussymbol oder kostenlose Unterkunftsstätte für ihre Pferde, weiß ich nicht.« Er zuckt mit den Achseln.
»Leider kam sie aus der Stadt – ich lernte sie auf einer Feier der Jungbauern kennen –, und deshalb verstand sie nicht, was von ihr erwartet wurde, womit ich nicht meine, sie hätte auf dem Hof so mit anpacken oder so kochen und den Haushalt führen müssen wie meine Mutter, aber da sie beschlossen hatte, ihren Job hinzuschmeißen – sie war Krankenschwester – konnten wir uns keine Hilfe leisten. Als Mums Krankheit festgestellt wurde, kümmerte ich mich um sie, und Oliver kam, um auf dem Hof zu helfen.« Seine Stimme verliert sich, kehrt dann aber wieder zurück. »Das alles hat mich völlig umgehauen.«
»Sie müssen nicht darüber reden, wenn Sie nicht wollen«, sage ich und freue mich, dass er zu mir Vertrauen gefasst hat, wenngleich ihn das Thema traurig macht. Bis jetzt erschien mir Guy ziemlich kühl und verschlossen, doch heute Abend hat er mir seine andere Seite gezeigt: eine sehr fürsorgliche und mitfühlende.
»Ich spreche normalerweise nicht darüber«, sagt er, »aber bei Ihnen fällt es mir leicht, denn ich habe nicht das Gefühl, beurteilt zu werden. Außerdem sind Sie nicht wie Fifi – sie findet, ich sollte aufhören, mich mit dieser Sache weiter zu quälen und mein Leben weiterleben.« Ein trauriger Schatten fällt über seine Augen, und sie verfinstern sich. »Sie kann sagen, was sie will, aber ich werde nie darüber hinwegkommen. Und ich werde auch nie wieder jemandem vertrauen können.«
So hatte Fifi das bestimmt nicht gemeint, denke ich, als Guy sein Glas austrinkt und es zurück auf den Tisch stellt.
»Tut mir leid«, sagt er. »Sie haben inzwischen sicher genug von meiner Geschichte.«
»Ist schon in Ordnung«, erwidere ich und ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich mehr als glücklich wäre, ihm so lange zuzuhören, wie er möchte. Ich mag den warmen Ton in seiner Stimme. Genauso wie ich es mag, mit ihm hier zu sitzen, und nicht, weil sonst niemand da ist.
Ich erzähle Guy, dass ich immer geglaubt hatte, mit David alt zu werden – nein, nicht nur geglaubt, sondern auch gewollt –, um irgendwann mit ihm im Kreise unserer Kinder und Enkelkinder unsere goldene Hochzeit zu feiern. Ich hatte geträumt, mich mit ihm im Alter aufs Land zurückzuziehen und in einem Haus wie diesem zu leben, mit Rosen und Heckenkirschen im Vorgarten.
»Genauso ging es mir mit Tasha«, meint Guy, und eine Zeit lang verlieren wir uns in unseren eigenen Welten.
Irgendwann versuche ich, ihm noch ein Glas Wein nachzuschenken, doch er hält die Hand darüber.
»Nein danke, Jennie«, sagte er. »Ich sollte gehen«, fügt er hinzu, aber ich merke, dass er es nicht allzu eilig hat, meine gemütliche Küche zu verlassen. Ich spüre, wie sein Blick ein bisschen länger auf meinem Gesicht verweilt als nötig, bevor er schließlich aufsteht und sagt, er müsse nun wirklich gehen.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher