Schock
glauben oder nicht, in dieser Wohnung gibt es Ratten, die unverschämt genug sind, herauszukommen, sich auf die Hinterbeine zu setzen und einen anzustarren – einen anzustarren, bis man wegsieht. Wirkliche Ratten, keine Mäuse.«
»Rakete stumm, Mäuse verschollen«, sagte Buddwing.
»Was sagten Sie?«
»Nichts.«
»Mir war, als hätten Sie etwas gesagt.«
»Ich murmelte nur vor mich hin.«
»Ach?«
Sie waren inzwischen tief im Park, tief inmitten der Parkgeräusche: fröhliches Geschrei von Kindern, die sich im Kreise jagten, auf Felsen kletterten, mit imaginären Gewehren schossen; die Kommandostimmen schwedischer Kindermädchen, die funkelnde Kinderwagen schoben und ihre winzigen Pfleglinge in Greta-Garbo-Tönen anherrschten, groß, statuenhaft und blond wie Showgirls aus Nevada; das ungeduldige Surren der Taxen, die über die Transverse Road kurvten, aufheulende Motoren, Hupengetön; leises Lachen der Liebespaare, die im Gras lagen, ein Junge auf dem Rücken ausgestreckt, den Arm hinter dem Kopf, ein Knie aufgestützt, ein rothaariges Mädchen, das sich mit langem, gelöstem Haar über ihn beugte, gemeinsames Lachen, sanfte Berührungen ihrer Hände; die fernen Geräusche eines Baseballspiels, erregte Stimmen von Jungen im Wettkampf; der gleichmäßig schlagende Rhythmus eines Sprungseils auf dem Weg; Unisonogesang kleiner Mädchen; Geschwätz schwangerer Frauen mit seidenen Kniestrümpfen, die mit gespreizten Schenkeln auf sonnenverblichenen grünen Bänken saßen – Geräusche einer Oase.
»Nun sieht es doch so aus, als begleiteten Sie mich«, sagte Janet und lächelte ein so strahlend liebliches, schüchtern aufblühendes Lächeln, das Grübchen in ihren Mundwinkeln erscheinen ließ, daß er sich auf der Stelle in sie verliebte und gleich darauf schon glaubte, von jeher in sie verliebt gewesen zu sein.
»Ja, ich glaube, es sieht so aus«, sagte Buddwing.
»Sie sind doch nicht etwa pervers oder so etwas?«
»Nein, nein.«
»Gott, ich kann diese Typen nicht ausstehen, die sich in der Untergrundbahn an einem scheuern.«
»Ich auch nicht.«
»An Ihnen scheuern sie sich auch?« fragte sie erstaunt.
»Nein, ich meinte, ich kann Leute nicht ausstehen, die sich an Ihnen scheuern. An Ihnen, Janet.«
»Oh, schönen Dank«, sagte sie plötzlich kichernd. »Wollen Sie mit mir anbandeln?« fragte sie.
»Hätten Sie Spaß daran?«
»Gott, nicht besonders. Aber ich unterhalte mich ganz gern mit Ihnen. Sie machen einen ganz vernünftigen Eindruck.«
»Besten Dank.«
»Ein herrlicher Tag, nicht?«
»Ein schöner Tag«, sagte er und setzte hinzu: »Und Sie sind auch schön, Janet.«
»Bin ich nicht«, sagte sie. »Meine Nase ist zu lang, und meine Beine sind zu dünn. Darum trage ich auch dieses schwarze Trikot. In Trikots sehen Beine besser aus, wußten Sie das?«
»Nein, das wußte ich nicht.«
»Tun sie aber. Trotzdem Dank für das, was Sie gesagt haben.«
»Was habe ich gesagt, Janet?«
»Das, was Sie gesagt haben.«
»Tut mir leid, was …«
»Daß ich …« Sie wandte sich scheu ab und sagte leise: »Daß ich schön wäre.«
»Wohin gehen Sie?« fragte er.
»Oh, zu meinem Psychotherapeuten. Er hat seine Praxis an der Ecke Fünfundsechzigste Straße und Park Avenue. Vor halb elf brauche ich nicht da zu sein.«
»Dann haben wir ja noch ein wenig Zeit.«
»Ja«, sagte sie und warf ihm einen Blick zu; er sah, wie grün ihre Augen waren, in denen sich die Frühlingsfrische des Grases ringsum spiegelte, in denen die Sonne flimmerte. »Ach, wissen Sie, eigentlich sollte ich es doch nicht tun«, sagte sie. »Ich meine, so mit Ihnen sprechen. Weiß ich, wer Sie sind?«
»Wer bin ich denn, Ihrer Meinung nach?«
»Du lieber Gott, das hört sich an wie bei meinem Therapeuten. Er will auch immer wissen, was ich denke. Ich frage ihn etwas Einfaches, etwa, wo er studiert hat, und er sagt: ›Was glauben Sie denn, wo ich studiert habe?‹« Janet zuckte die Achseln. »Er hat an der Cornell-Universität studiert, falls es Sie interessiert.« Sie verzog das Gesicht und setzte hinzu: »Sicher fasziniert es Sie, zu erfahren, daß mein Therapeut in Cornell studiert hat.«
»Es fasziniert mich tatsächlich«, sagte Buddwing.
»Hoho, das kann ich mir vorstellen! Wie alt sind Sie übrigens?«
»Für wie alt halten Sie mich?«
»Da – schon wieder! Lassen Sie das lieber. Oder sind Sie etwa selbst Psychotherapeut?«
»Nein; ich gehöre eher zu den Patienten.«
»Aha, willkommen im Club! Wer ist Ihr
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