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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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fällt, widerhallend, abermals widerhallend, Janet, Janet, Janet. Ihre Augen waren grün, tief, jung, verwundert, überrascht, fragend und voll neuer Entdeckungen. Ihr Haar war schwarz und glänzend wie eine Rabenschwinge, eine kalte Nacht, ein polierter Meereskiesel. Janet, oh, Janet – ihr Gesicht, fein geformt, bleich, die natürliche Linie ihrer Nase, ihr gutgeformter Mund, die kräftig geformten Wangenknochen, eine Strähne schwarzen Haars, die sich um die Wange kräuselte, das ganze Gesicht in Bewegung, Augen, Nase und Mund jubelnd frisch und lebendig – ich liebe dich. Du hast kleine, vollkommen geformte Brüste; ich sah, wie sich deine Brüste unter dem schwarzen Pullover abzeichneten. Als du den Arm hobst, als du die Hand erbittert mit gespreizten Fingern vor dem Gesicht schwenktest, hoben sie sich, wurden sie für einen Augenblick flach; dann, als du den Arm senktest, füllten sie den Pullover wieder, klein, jung, unendlich süß; ich liebe deine Brüste. Ich liebe deine Augen, ich liebe dein Haar, ich liebe deine langen Beine im schwarzen Trikot und das Versprechen schwellenden Frühlings in dir, dein leises Kichern, die Lust in deinen grünen Augen, von der du nichts weißt. Oh, Janet, dein Mund ist süß und feucht. Du gehst mit heftigen Schritten, in dir ist elektrische Energie, ein Rhythmus, der im gebrochenen Jargon der Schulmädchen aus der Bronx von deinen Lippen strömt, den Schwung deiner schmalen Hüften bestimmt, die weiblichen Rundungen blühen läßt – erfüllt und schmerzhaft frei unter dem schwarzen Rock. Ich möchte dich berühren, ich möchte deinen schlanken nackten Körper in meinen Armen halten und dich berühren. Ich weiß, wie du bist, ich weiß, wie du sein wirst, Liebste, Janet.
    Ich bin unrasiert, dachte er.
    Sie mochte es nicht, daß ich unrasiert bin. Sie war fast ärgerlich darüber – wie konnte ich auch nur den Versuch wagen, in so unrasiertem Zustand ihre Bekanntschaft zu suchen? Dabei ging es mir natürlich nicht darum, sie kennen zu lernen; sie erinnerte mich nur an Doris. Aber wie konnte ich sie überhaupt mit Doris verwechseln? Doris hat braune Augen. Hatte. Und Doris war siebzehn, ich erinnere mich, ich erinnere mich ganz sicher. Wie hätte sie also Doris sein können, wenn Doris wahrscheinlich so alt ist wie ich selbst. Vermutlich ist Doris dick, verschlampt und dümmlich – was geht mich Doris an? Und überhaupt – Doris war vierzehn, nicht siebzehn.
    Halt, dachte er.
    Und plötzlich packte ihn schreckliche Verwirrung. Er verlangsamte seine Schritte und wußte für einen Augenblick nicht, wo er war. Er sah sich um; er mußte die Orientierung wieder finden. Ja, hier war die Park Avenue; dort, weit hinten an ihrem Ende, stand das alte Gebäude des New York Central-Bahnhofs. Es schien die Straße zu versperren; über ihm erhob sich wie ein majestätischer Finger das neue Gebäude der Pan American Airways. Ja, er stand auf der Park Avenue. Doch wie zum Teufel konnte Doris vierzehn gewesen sein? Und wen interessierte das?
    Mich, dachte er in höchster Spannung. Mich interessiert es. Mich hat es interessiert. Es ging mich an. Und das zählt für mich. Es ist wichtig für mich, zu wissen, daß irgend etwas, daß ein Mensch mich anging, daß – daß …
    Nein, dachte er, halt, bitte. Das ist nicht alles vorbei. Bestimmt nicht. Es war nicht alles sinnlos. Himmel, warum mußte sie …
    Halt.
    Bitte.
    Halt.
    Ich … kann mich erinnern.
    Lass mir nur, bitte, ein wenig Zeit.
    Bitte.
    Ich brauche dringend ein wenig Zeit. Nur, um meine Gedanken zu ordnen. Nur, um mich vorzubereiten, siehst du. Nur, um mich auf ein Leben vorzubereiten, das …
    Ich bitte dich, lass mir Zeit.
    »Ich weiß, wer Doris ist«, sagte er laut und heftig. Ein vorübergehender Mann drehte den Kopf, musterte ihn, eilte dann weiter, sah sich noch einmal um, dann nicht mehr. Buddwing schüttelte den Kopf, um seiner Verwirrung Herr zu werden.
    Sie war vierzehn, als ich sie kennen lernte.
    Und deshalb kann sie zugleich vierzehn und siebzehn sein. Das ist logisch und klar, da gibt es keine Geheimnisse.
    Er verließ die Deckung der Hauswand.
    Sie war vierzehn, als ich sie kennen lernte, wiederholte er. Ich weiß noch genau, was sie anhatte. Sie trug einen karierten Mantel, dessen Grundfarbe ein sehr fahles Violett war, und flache, sehr schmutzige Halbschuhe. Sie wirkte überhaupt sehr schmutzig, obwohl sie es natürlich nicht war; der Grund war, daß ihr schwarzes, drahtiges Haar immer ungekämmt

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