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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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meinen Sie nicht auch?«
    »Absolut.«
    »Sicher. Wollten Sie nicht mit mir nach Hause kommen?«
    »Wenn Sie nach Hause gehen wollen.«
    »Ich weiß nicht, wohin ich will, Sam, oder was ich vorhabe«, sagte sie ernsthaft.
    »Dann lassen Sie mich bestimmen.«
    »Ich habe es nicht gern, wenn andere Leute über mich bestimmen.«
    »Dann lassen Sie uns Spazierengehen.«
    »Ich mag aber nicht Spazierengehen.«
    »Schön, was wollen Sie eigentlich, Janet?«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte sie verdrossen. »Gehen wir spazieren.«
    Schweigend gingen sie mehrere Straßenblocks weiter.
    »Mein Bruder ist Schriftsteller. Habe ich Ihnen das schon erzählt?« fragte sie schließlich.
    »Ja.«
    »Der Rattenfänger.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Mit seinen Ratten.«
    Und wieder schwieg sie. Buddwing, der an ihrer Seite ging, wußte plötzlich, wie er herausfinden konnte, wer er war. Die Lösung war so einfach, daß er sich wunderte, nicht schon früher darauf gekommen zu sein. Er würde einfach zu De Pinna gehen, wo der offenbar maßgeschneiderte Anzug, den er trug, herstammte, und fragen, wer den Anzug bestellt hatte. Er war sicher, daß man dort irgendwelche Unterlagen hatte; vielleicht würde sogar der Schneider ihn wieder erkennen. Natürlich bestand die Gefahr, daß man ihm sagte, der Anzug wäre für den Direktor von Central Islip angefertigt, aber das wäre noch nicht das Schlimmste – dann wußte er wenigstens mit Sicherheit, daß er Edward Vossler war.
    »Mike hat sich noch nicht entschieden, zu welcher Schule er gehören will«, sagte Janet. Sie sah, daß Buddwing verwirrt das Gesicht verzog und fügte hinzu: »Mein Bruder. Zu welcher schriftstellerischen Richtung.«
    »Gibt es denn da verschiedene Richtungen?« fragte er.
    »Oh, natürlich, Dutzende«, versicherte sie sachkundig.
    »Warum versucht er nicht, sie unter einen Hut zu bringen?«
    »Nein, nein. Mike muß seinen eigenen chemin finden. So drückt er sich jedenfalls aus. Dauernd hackt er auf seiner Schreibmaschine herum und erzählt mir, ›Jan, ich muß meinen eigenen chemin finden‹. Dabei bin ich es, die zum Therapeuten geht.« Sie zuckte die Achseln. »Er schafft es nie, wissen Sie. Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.«
    »Wie können Sie das sagen?«
    »Ich brauche ihn nur zu sehen. Ich gehe in seine Wohnung; und da haust er dann, wie ein Schwein – wirklich, wie ein Schwein. Seine Wäsche liegt überall am Fußboden, im Ausguss stapelt sich schmutziges Geschirr, Zigarettenstummel, wo man hinsieht, und er selbst sitzt an seiner Schreibmaschine wie ein Beatnik oder ein Mystiker oder was auch immer und sieht kaum hoch, wenn ich hereinkomme.«
    »Warum gehen Sie dann hin?«
    »Nun, wissen Sie, ich liebe ihn«, sagte Janet einfach. Sie schüttelte den Kopf. »Aber er schafft es nicht. Ich weiß es, und ich wollte, ich hätte die Courage, es ihm zu sagen. Ich lebe in der schrecklichen Vorstellung, daß ich eines Tages hingehe, in zehn Jahren vielleicht, und an die Tür klopfe. Bis dahin hat das Lincoln Center die ganze Gegend überwuchert, bis auf das Haus, in dem Mike wohnt. Ich gehe in seine Wohnung, aber die Ratten haben schon alles besorgt. Mike sitzt an dem wackeligen Tisch, den er zum Schreiben benutzt, in der Haltung, in der er gewöhnlich arbeitet, aber seine Knochen sind von den Ratten sauber abgenagt.« Sie erschauerte, umklammerte seinen Arm und fuhr fort: »Das ist doch entsetzlich, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Vielleicht wünsche ich sogar insgeheim, daß er von den Ratten aufgefressen wird; ich weiß es nicht. Aber warum denke ich sonst daran?« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Hören Sie«, sagte sie.
    »Ich höre.«
    »Sie werden das nicht tun, nicht wahr?«
    »Was werde ich nicht tun? Von Ratten aufgefressen werden?«
    »Nein, Spaß beiseite. Mir weh tun, meine ich. Das werden Sie doch nicht tun?«
    »Nein, das nicht.«
    »Sehen Sie, ich habe mit mir selbst schon genug zu tun und könnte dergleichen im Augenblick kaum brauchen. Ich habe genug Sorgen, mit meinem Bruder und all dem anderen. Ich meine, es könnte die Liebesgeschichte des Jahrhunderts werden, aber um bei der Wahrheit zu bleiben, ich verzichte lieber darauf, als daß ich am Ende unglücklich bin. Ich bin ohnehin schon unglücklich genug.«
    »Ich werde Sie nicht unglücklich machen, Janet.«
    »Und trotzdem habe ich das Gefühl, ich sollte nicht mit Ihnen anfangen.«
    »Was soll ich dazu sagen, Janet?« Der pochende Schmerz in seiner linken Schläfe, den er kaum mehr gespürt

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