Schock

ich tatsächlich«, sagte er.
    Sie starrte ihn an. »Wissen Sie, Sie sagen das mit solcher – solcher Sicherheit, daß – daß ich beinahe das Gefühl habe, Sie auch kennen zu müssen.«
    »Nun, ich meine, Sie sollten mich kennen«, erwiderte er.
    »Ach, wirklich? Weshalb?«
    »Nun, ich bin kein übler Mann, man darf mich ruhig kennen.«
    »Aha«, sagte sie lächelnd. »Ich glaubte, ich wüsste in der Welt Bescheid …« Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich falle auf den ältesten Trick der Welt herein.«
    »Welchen Trick?«
    »›Kennen wir uns nicht? Sie erinnern mich an jemanden …‹ – Den Trick.«
    »Ach, den also.«
    »Genau.«
    »Aber es ist kein Trick«, sagte er.
    »Ich bin Grace, ja«, sagte sie und nickte.
    »Eben.«
    »Aha«, sagte sie und nickte abermals. »Und Sie sind Seymour.«
    »N-nein, ich bin nicht Seymour.«
    »Aber wer sind Sie dann?«
    »Ich weiß es nicht. Wissen Sie vielleicht, wer ich bin?«
    Sie zuckte die Achseln. »Sie müßten mir ein wenig von sich selber erzählen, bevor ich versuche, es zu erraten. Wie alt sind Sie?«
    »Neununddreißig. Und wie alt sind Sie?«
    »Achtundzwanzig.«
    »Was hatten Sie auf der Landungsbrücke zu tun?«
    »Wir haben einen Freund abgeholt, eigentlich nur einen Bekannten. Er ist beim Friedenscorps und kam gerade aus Afrika zurück. Früher war er bei der Sozialfürsorge.« Sie hielt inne. »Daher kenne ich ihn.« Sie hielt wieder inne. »Ich bin nämlich auch bei der Sozialfürsorge.«
    »Oh, das ist ausgezeichnet«, sagte er.
    »Warum?«
    »Nun, dann haben Sie wahrscheinlich einige Praxis darin, Leute zu befragen.«
    »Ja – gewiß – vielleicht«, sagte sie und zuckte die Achseln. »Sie sind verheiratet, nicht wahr?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Gefühlsmäßig.« Sie hielt inne. »Ich gerate immer an verheiratete Männer. Wirklich, ich weiß nicht, wie das kommt.« Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie Kinder?« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Ach, Sie brauchen mir nicht zu antworten. Wahrscheinlich haben Sie sechs.« Sie hielt inne und betrachtete ihn. »Was ist Ihr Beruf?«
    »Ist das schon die Befragung?«
    Sie lächelte. »Ja, gewiß, das ist die Befragung.«
    »Ich fürchte, ich bin dafür nicht recht geeignet«, sagte er. »Was würden Sie für meinen Beruf halten?«
    »Zeigen Sie mir Ihre Hände.« Er streckte sie ihr entgegen; sie warf einen kurzen Blick darauf, ließ sie dann fallen und schwieg nachdenklich, während sie weitergingen.
    »Wissen Sie, was ein Rechtsanspruch ist?« fragte sie.
    »Natürlich.«
    »Und was?«
    »Ein zivilrechtlich einklagbarer Schaden.«
    »Und was ist ein Vergehen?« fragte sie schnell.
    »Jede rechtswidrige Handlung, die kein Verbrechen ist«, antwortete er.
    »Und was ist ein Verbrechen?«
    »Eine rechtswidrige Handlung, die mit dem Tode oder mit Zuchthaus bestraft wird.«
    »Welche Höchststrafe steht auf Einbruch?« fragte sie.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Buddwing.
    »Okay. Wie heißt das bekannteste Handbuch der Beweisführung?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Grace nickte enttäuscht und betrachtete ihn wieder. Sie schien in Gedanken eine weitere Serie von Fragen vorzubereiten und fragte plötzlich: »Was ist ein Katheter?«
    »Ein röhrenförmiges Instrument.«
    »Und wozu wird es gebraucht?«
    »Um Körperflüssigkeiten abzuleiten.«
    »Ist Morphium ein beruhigendes oder ein anregendes Medikament?«
    »Ein beruhigendes.«
    »Und Codein?«
    »Ein anregendes.«
    »Und Scopolamin?«
    »Ist das ein Medikament?« fragte Buddwing.
    »Ja. Aber lassen Sie nur«, sagte Grace. Sie dachte einen Moment nach und fragte dann: »Wer hat ›Vom Winde verweht‹ geschrieben?«
    »Margaret Mitchell.«
    »In welchem Verlag ist das Buch erschienen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Kennen Sie die Namen einiger Verlagshäuser in New York?«
    »Doubleday, Random House, Macmillan …«
    »Was sind Seiten?«
    »Seiten?«
    »Ja.«
    »Sie meinen Seiten? Wie in einem Buch?«
    »Ist gut«, sagte Grace. »Wenn am Markt Baisse ist, was bedeutet das?«
    »Geringes Geschäft.«
    »Und wie nennt man das Gegenteil?«
    »Hausse.«
    »Wissen Sie den Tageskurs von A. T. & T.?«
    »Nein.«
    »General Motors?«
    »Nein.«
    »IBM?«
    »Auch nicht. – Was ist ein A-und-R-Mann?« fragte Buddwing.
    »Was, bitte?«
    »Ein A-und-R-Mann.«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Grace. »Was ist das?«
    »Sehen Sie«, sagte Buddwing, und sie lachten beide.
    »Also gut, ich gebe auf«, sagte sie. »Ist das etwa Ihr