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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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einmal: ich komme nach Hause; der Gedanke blieb in seinem Kopf, als er die Auffahrt hinaufging und ins Haus trat, blieb in seinem Kopf, als er seine Mutter und seinen Vater umarmte, beide sahen gealtert aus, ich komme nach Hause. Dann saß er im Wohnzimmer und erzählte ihnen von seinen Abenteuern in Japan und dachte die ganze Zeit: ich komme nach Hause, denn das hier war sein Zuhause nicht.
    Beethoven war tot; die Jungen sprachen nicht einmal mehr von ihm. Einmal besuchten sie seine Mutter, doch sie weinte, als sie kamen; deshalb gingen sie nicht wieder hin. L.J. hatte in Boston ein Mädchen kennen gelernt und trug sich mit ernsthaften Heiratsabsichten. Rotweste erklärte, das Leben langweile ihn und er dachte daran, sich wieder freiwillig zu melden. Den Sommer verbrachten sie am Orchard Beach, voll Erinnerung; doch irgend etwas stimmte nicht daran, das war nicht zu Hause, das waren nicht die Jungen, die er einmal gekannt hatte. Ende August ging Rotweste wieder zum Militär. Im September fuhr L.J. nach Boston, um sich mit dem Mädchen, das er dort kennen gelernt hatte, zu verloben, und Buddwing immatrikulierte an der Universität von New York.
    Er sah sie zum ersten Mal in dem kleinen Park vor dem Universitätsgebäude; es war Mitte Oktober. Er saß auf einer Bank, den Rücken der Sonne zugewandt, und beobachtete die Fronttreppe des Gebäudes. Hinter sich hörte er zwei Männer Schach spielen. Irgendwer klimperte auf einer Gitarre. Sie kam die Stufen herab; im Vorübergehen rief ein Student ihr »Hey, Grace« zu; sie nickte, lächelte kurz und ging dann zu einer Bank am anderen Ende des Parks, fast am Gehsteig von Washington Square West. Sie setzte sich, ein Buch auf dem Schoß, und begann zu lesen. Er mochte sie vielleicht zehn Minuten beobachtet haben, bevor er endlich aufstand und zu ihr hinüberging. Er ließ sich neben ihr nieder und sagte: »Hallo, Grace!«
    »Hallo«, sagte sie, und dann plötzlich: »Kenne ich Sie?«
    »Nein.«
    »Okay.« Sie hielt inne. »Und was wollen Sie?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Ich arbeite aber gerade.«
    »Das hat Zeit.«
    »Denken Sie«, sagte sie und kehrte zu ihrem Buch zurück.
    »Was ist das?« fragte er.
    »Was ist was?«
    »Ihr Buch da.«
    »Griechische Mythologie«, sagte sie. »Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht – ich versuche wirklich zu arbeiten.«
    »In Ordnung.«
    »Gewiß doch – was sagten Sie?«
    »Ich sagte: in Ordnung.«
    »Natürlich. Aber ich kann nicht arbeiten, wenn Sie mit mir reden wollen, ist Ihnen das klar?«
    »Wie alt sind Sie?« fragte er.
    »Achtzehn. Und wie alt sind Sie?«
    »Einundzwanzig.«
    »Okay. Darf ich nun arbeiten?« fragte sie.
    »Ich weiß etwas Besseres.«
    »Und was?«
    »Wir könnten Spazierengehen.«
    »Und was wird, wenn ich in Mythologie durchfalle?«
    »Ich weiß nicht. Was denn?«
    »Ich würde Sie hassen bis in die Steinzeit.«
    »Oh, das hätte ich eigentlich nicht gern.«
    »Wann sind Sie geboren?« fragte sie plötzlich.
    »Im Januar.«
    »Den wievielten Januar?«
    »Den zehnten.«
    »Hm. Das ist Steinbock. Nun, ich denke, das erklärt alles.«
    »Was erklärt das?«
    »Fragen Sie nicht«, sagte sie geheimnisvoll. »Welches ist Ihr Lieblingsmonat?«
    »März.«
    »März? Der März ist niemandes Lieblingsmonat.«
    »Meiner doch«, sagte er. »Welches ist Ihrer?«
    »Oktober.« Sie schüttelte den Kopf. »Ausgerechnet März. Das habe ich in meinem Leben noch nie gehört.«
    »März ist ein guter Monat«, sagte er, als fühle er sich verpflichtet, ihn zu verteidigen.
    Grace zuckte die Achseln. »Oktober macht mich immer so traurig.«
    »Und warum?«
    »Weil im Oktober alles stirbt«, sagte sie ernst.
    »Aber wenn er Sie traurig macht, warum ist es dann Ihr Lieblingsmonat?«
    »Ich bin nun einmal gern traurig.« Sie klappte das Buch zu und musterte ihn ernsthaft. »Ich weine entsetzlich viel. Sie auch?«
    »Nein, nicht allzu oft.«
    »Weinen Sie überhaupt?«
    »Ja, manchmal.«
    »Ich habe immer geglaubt, Männer weinten nie.«
    »Gott, ja …«, sagte er und zuckte die Achseln.
    »Vielleicht taten sie es früher – ich meine damals, als sie noch Rüstungen trugen.« Sie hielt inne. »Aber ich finde es ausgesprochen mannhaft von Ihnen, zuzugeben, daß Sie manchmal weinen.« Sie hielt wieder inne. »Ich weine unentwegt. Wirklich, unentwegt. Wirklich, unentwegt. Ich sehe einen Vogel fliegen und weine. Ich greife zum Salzstreuer und weine.« Sie zuckte die Achseln. »Mein Bruder nennt mich Heulsuse.«
    »Nun, dann

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