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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Blut durch seinen Anorak sickern. Viel Blut.
    Später konnte sie nicht sagen, wie sie ihn hinter den Brunnen bugsiert hatte, raus aus Thurids Schussfeld. Sie lag über ihm und zielte auf Thurid. Licht flammte auf. Geblendet hielt sie inne. Ein paar Schüsse fielen, dann war alles still.
    »Wir haben sie«, war alles, was Katinka hörte. Sie riss ihren Blick von den Mauern und sah den Kommissar an.
    »Hardo!«, schrie sie. Über seine Augen zog ein Schleier, wie Nebel. »Hardo! Sie sterben nicht, kapiert? Sie können gar nicht sterben! Sie sind unsterblich!«
    Er lächelte und stöhnte zugleich. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah er Katinka an und flüsterte etwas, das sie nicht verstand.
    »Nein!«, schrie sie. »Lassen Sie mich nicht allein! Tun Sie das nicht!«
    Sie schob seinen Pullover hoch und riss das Hemd auf. Ohnmächtig vor Angst und Wut presste sie ihre flache Hand auf die Wunde in seiner Brust. Warmes Blut befeuchtete ihre Hand.
    »Frau Palfy«, kam es von hinten.
    »Wir brauchen einen Druckverband«, schrie Katin-ka. »Los!«
    »Frau Palfy«, sagte Schilling ruhig. »Es ist ein Rettungswagen unterwegs. Die brauchen höchstens noch ein paar Minuten.«
    »Die paar Minuten sind mir zu lang«, schnappte Ka-tinka.
    Schilling ging neben ihr auf die Knie.
    »Es ist spiegelglatt auf den Straßen.«
    Er wickelte seinen Schal zu einem dicken Pfropf und drückte ihn auf Hardos Wunde.
    »Hardo, Sie schaffen das«, flüsterte Katinka eindringlich, während sie ihre Hand wegzog. »Sie müssen einfach.«
    Schilling knirschte mit den Zähnen. Katinka fühlte Hardos Puls am Hals. Er war zu spüren, aber schwach, zu schnell, zu leicht.
    »Halten Sie das«, sagte Schilling zu Katinka. Sie presste ihre Hand auf den Wulst aus Wolle. Aus ziemlich teurer Wolle. Schilling half Hardo, sich ein Stück aufzusetzen und sich an den Brunnen zu lehnen. Über seinem Kopf hing ein Schild, das die Brunnentiefe mit zweiundvierzig Metern angab.
    »Bitte«, sagte Katinka zu Hardo und legte ihre Wange sacht an seine. Die war kalt, aber sie hörte den Kommissar etwas flüstern und hielt das Ohr an seine Lippen:
    »Diesmal müssen Sie mich aus der Kloake fischen, Katinka.« Er hustete und spuckte helles, schaumiges Blut aus.
    »Wir wechseln uns eben ganz demokratisch ab«, sagte Katinka und versuchte, ihre Stimme zuversichtlich klingen zu lassen. »Gleich ist der Notarzt da.«
    »Katinka!«, flüsterte Hardo.
    »Ja. Ich bin hier.«
    »Vergessen Sie mich nicht.«
    Sie starrte ihn an, kalt und leer vor Entsetzen. Sah sein Gesicht, wie er die Augen mit aller Kraft offenzuhalten versuchte, um Atemluft kämpfte und um ein Lächeln. Er begann am ganzen Körper zu zittern, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Unruhig tastete er mit einer Hand über den Boden. Sie zog ihren Mantel aus und breitete ihn so gut es ging über ihn. Griff nach seiner tastenden Hand.
    »Ich vergesse Sie nicht, und Sie werden das überleben«, flüsterte sie.
    Der Ambulanzwagen rollte auf den Burghof. Ka-tinka sah zu, wie die Liege gebracht wurde, während ein Notarzt angerannt kam und sich an Hardos Seite niederließ. Schilling zog Katinka weg.
    »Machen Sie Platz, Frau Palfy.«
    Sie stand auf, entlud die Heckler & Koch, steckte das Magazin in die hintere Hosentasche.
    Zwei Polizisten in schwarzer Montur brachten Thurid. Sie mussten abwarten, dass die Sanitäter die Durchfahrt freigaben. Katinka sah ihr einen Augenblick lang ins Gesicht. Ihre Hand schwitzte. Sie hörte Hardo vor Schmerz aufstöhnen, als er auf die Liege gelegt wurde. Hinter ihrer Stirn pochte etwas, ein Gefühl, ein erregender Schmerz, den sie nie in solcher Intensität verspürt hatte. Ihre Finger krallten sich um Hardos Pistole.
    »Sie haben also auch einen Beschützer«, sagte Thurid. Ihre Stimme klang fast schüchtern. In ihren Augen glitzerte Trauer, aber auch ein Anflug von Spott und Ironie. »Ich wollte …« Sie überlegte es sich anders. »Ich meine, ich hoffe, Sie werden eher frei sein als ich.«
    Katinka holte aus und schlug Thurid mit der Heckler & Koch mitten ins Gesicht. Thurids Kopf flog zur Seite. Katinka hörte sie aufkeuchen. Niemand sagte ein Wort.
    Die Türen des Ambulanzwagens schlossen sich.
    »Halt!«, schrie Katinka. Sie schob Hardos Pistole in die Jeans und rannte zu den Sanitätern hinüber. »Ich komme mit.«
    »Ich glaube aber …«, begann einer, während Katinka ihn schon zur Seite schob und die hintere Tür wieder aufriss.
    »Ich komme mit, und wagen Sie nicht, mich davon

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