Schockwelle
tosten die Brecher. Plötzlich hatte er die
Polar Queen
vor Augen, wie sie steuerlos auf die blanken Felsen einer antarktischen Insel zugetrieben war. Aber diesmal befand er sich nicht an Bord eines Ozeandampfers – er hockte auf einem Fliegenschiß im Meer. Er raste trotzdem weiter hinter Broadmoor her, auch wenn er immer mehr davon überzeugt war, daß der Indianer dem Wahnsinn anheimgefallen war.
Broadmoor fegte um einen mächtigen Felsen herum. Pitt klemmte sich dahinter, fuhr die Kurve steil an, rutschte ein Stück zurück und lehnte sich hinaus, damit die Innenkante des Rumpfes etwas mehr belastet wurde. Dann zog er die Kiste unmittelbar hinter Broadmoor durch die Spitzkehre. Sie schossen über einen mächtigen Wellenkamm hinweg und rasten am nächsten Brecher empor.
Der Helikopter hing fast über ihnen, doch der Pilot starrte fassungslos auf die beiden Männer hinab, die auf selbstmörderischem Kurs zwischen den Klippen hindurchrasten.
Er war so verblüfft, daß er sich nicht einmal in Position brachte und seine 7.62-Millimeter-Kanonen einsetzte. Mittlerweile war das Kliff gefährlich nahe, so daß er die Maschine nach oben ziehen mußte. Er legte sie zwar sofort steil in die Kurve und hielt erneut Ausschau nach den beiden Jet-Ski-Fahrern, doch zehn entscheidende Sekunden lang hatte er sie aus den Augen verloren. Er kreiste ein weiteres Mal über dem Wasser, doch seine Beute war verschwunden.
Pitt war felsenfest davon überzeugt, daß seine letzte Stunde geschlagen hatte, daß sie nach spätestens hundert Metern an dem steil aufragenden Kliff zerschellen würden. Noch konnte er ausweichen, aber dann nahm ihn vermutlich der Helikopter unter Beschuß. Er ließ sein Leben Revue passieren, blieb aber eisern auf Kurs. Und dann sah er es.
Ein schmaler Spalt tat sich am Fuß des Kliffs auf, ein Nadelöhr, allenfalls zwei Meter breit. Broadmoor preschte hindurch und war verschwunden.
Pitt folgte ihm unverzagt, aber er hätte schwören können, daß die Handgriffe den Fels gestreift hatten. Dann befand er sich in einer tiefen Höhle mit einer hohen, spitz zulaufenden Decke.
Broadmoor bremste seine Maschine ab, hielt neben einer Felsenzunge und sprang ab. Dann zog er seine Jacke aus, schnappte sich ein Büschel von dem abgestorbenen Riementang, der in der Höhle trieb, und stopfte sie aus. Pitt begriff sofort, welche Kriegslist der Indianer plante. Er stellte den Motor ab und tat es ihm gleich.
Als die Jacken so weit aus gestopft waren, daß sie zumindest annähernd menschlichen Körpern ähnelten, wurden sie am Höhleneingang ins Wasser geworfen. Pitt und Broadmoor sahen zu, wie sie hin und her trieben, bis sie von der zurückflutenden See immer weiter hinaus in die Brandung getragen wurden.
»Ob die sich wohl täuschen lassen?« fragte Pitt.
»Garantiert«, antwortete Broadmoor im Brustton der Überzeugung. »Das Kliff hängt etwas über, so daß man den Höhleneingang aus der Luft unmöglich sehen kann.« Er legte die Hand ans Ohr und horchte nach dem Helikopter. »In spätestens zehn Minuten fliegen sie zurück und erzählen dem schmucken John Merchant, falls er bis dahin wieder bei Bewußtsein ist, daß wir uns an den Felsen den Schädel eingerannt haben.«
Broadmoor hatte recht. Die in der Höhle widerhallenden Rotorgeräusche wurden leiser und verklangen schließlich. Er überprüfte die Treibstofftanks der Jet-Skier und nickte zufrieden. »Wenn wir mit halber Kraft fahren, müßte der Sprit gerade bis zu meinem Dorf reichen.«
»Ich schlage vor, daß wir bis Sonnenuntergang warten«, sagte Pitt. »Könnte ja sein, daß der Hubschrauberpilot einer von der argwöhnischen Sorte ist. Kannst du uns auch bei Dunkelheit nach Hause lotsen?«
»Mit Zwangsjacke und verbundenen Augen, wenn’s sein muß«, versetzte Broadmoor. »Wenn wir um Mitternacht aufbrechen, liegen wir um drei Uhr morgens im Bett.«
Mehrere Minuten lang saßen sie schweigend da, erschöpft von dem harten Ritt über den Kanal und der mörderischen Verfolgungsjagd, und horchten auf die donnernde Brandung vor der Höhle. Schließlich klappte Broadmoor den Sitz seines WetJets auf, griff in das kleine Fach darunter und holte eine in Leinwand eingeschlagene Zweiliterflasche heraus. Er zog den Korkstöpsel und reichte sie Pitt.
»Brombeerwein. Marke Eigenbau. – Trink, Freund Pitt.«
Pitt nahm einen tüchtigen Schluck und verzog das Gesicht.
»Du meinst Brombeerschnaps, stimmt’s?«
»Ich muß zugeben, daß er nicht schlecht reinhaut.«
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