Schockwelle
Pachtvertrages im Jahre 1997 an China zurückgefallen, aber für die Briten war es eine Ehrensache, ab und zu Flagge zu zeigen und die neuen Herren daran zu erinnern, wer die Finanzmetropole Asiens gegründet hatte.
Die Tür zum Steuerhaus ging auf, und der Zweite Offizier, Lieutenant Samuel Angus, beugte sich heraus. »Würden Sie bitte mal reinkommen, Sir. Vorausgesetzt, Sie können sich ein paar Minuten von den tobenden Elementen losreißen.«
»Warum kommen Sie nicht raus, mein Junge?« brüllte Briscoe durch den Wind. »Verweichlicht seid ihr. Das ist der Jammer mit euch jungen Leuten. Ihr wißt gar nicht, wie großartig schweres Wetter sein kann.«
»Bitte, Captain«, drängte Angus. »Unser Radar hat ein näher kommendes Flugzeug erfaßt.«
Briscoe begab sich auf die Brücke. »Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Fliegen doch ständig Flugzeuge über uns weg.«
»Ein Helikopter, Sir? Mehr als zweieinhalb tausend Kilometer vom amerikanischen Festland entfernt, und ohne daß sich zwischen hier und Hawaii irgendein Kriegsschiff befindet?«
»Der verdammte Trottel hat sich wahrscheinlich verfranst«, knurrte Briscoe. »Funken Sie den Piloten an und fragen Sie ihn, ob wir ihm die Position durchgeben sollen.«
»Ich war so frei, Sir, und habe mich bereits mit ihm in Verbindung gesetzt«, erwiderte Angus. »Er spricht nur Russisch.«
»Haben wir jemand, der ihn verstehen kann?«
»Den Bordarzt, Sir, Surgeon Lieutenant Rudolph. Er kann fließend Russisch.«
»Holen Sie ihn auf die Brücke.«
Drei Minuten später trat ein kleiner Mann mit blonden Haaren vor Briscoe, der auf dem erhöhten Kapitänsstuhl saß und hinaus in den Regen spähte. »Sie wollen mich sprechen, Captain?«
Briscoe nickte kurz. »Da draußen kurvt ein russischer Hubschrauber herum. Gehen Sie ans Funkgerät und finden Sie raus, warum er über der offenen See rumfliegt.«
Lieutenant Angus besorgte einen Kopfhörer, stöpselte ihn an und reichte ihn Rudolph. »Die Verbindung steht. Sie brauchen bloß zu reden.«
Rudolph stülpte sich den Kopfhörer über die Ohren und sprach in das Mikrofon. Briscoe und Angus warteten geduldig, während er eine offenbar ziemlich einseitige Unterredung mit dem Hubschrauberpiloten führte. Schließlich wandte er sich an den Kapitän.
»Der Mann ist furchtbar aufgeregt, redet wirres Zeug. Soweit ich ihn verstehen kann, kommt er von einer russischen Walfangflotte.«
»Dann ist er also dienstlich hier.«
Rudolph schüttelte den Kopf. »Er sagte ein ums andere Mal:
›Sie sind alle tot‹, und will wissen, ob wir auf der
Bridlington
einen Helikopterlandeplatz haben. Wenn ja, möchte er an Bord kommen.«
»Kommt nicht in Frage«, knurrte Briscoe. »Teilen Sie ihm mit, die Royal Navy gestattet es nicht, daß fremde Flugzeuge auf den Schiffen Ihrer Majestät landen.«
Rudolph gab gerade die Meldung durch, als man Rotorengeräusche hörte und der Hubschrauber, der allenfalls zwanzig Meter über dem Meer flog, plötzlich Steuerbord voraus in Sicht kam. »Er klingt, als würde er jeden Moment durchdrehen. Er will auf jeden Fall hier landen, und es ist ihm wurscht, ob wir ihn abschießen.«
»Verdammt!« stieß Briscoe wütend aus. »Hat mir gerade noch gefehlt, daß mir ein Terrorist das Schiff in die Luft jagt.«
»Ist aber nicht wahrscheinlich, daß sich ein Terrorist ausgerechnet über dem Ozean herumtreibt«, sagte Angus.
»Ja, ja, und der kalte Krieg ist seit zehn Jahren vorbei. Ich weiß, ich weiß.«
»Meiner Ansicht nach«, sagte Rudolph, »ist der Pilot außer sich vor Angst. Seinem Tonfall nach zu schließen, stellt er keine Gefahr für uns dar.«
Briscoe saß einen Moment lang schweigend da, dann drückte er auf einen Knopf der Bordsprechanlage. »Radar, habt ihr die Lauscher ausgefahren?«
»Ja, Sir«, klang es zurück.
»Irgendwelche Schiffe in der Nähe?«
»Ich sehe ein großes Schiff und vier kleinere auf zwosiebenzwo Grad. Entfernung etwa fünfundneunzig Kilometer.«
Briscoe unterbrach die Verbindung und drückte auf einen anderen Knopf. »Funkraum?«
»Sir?«
»Sehen Sie zu, ob Sie eine russische Walfangflotte erreichen können, die fünfundneunzig Kilometer westlich von uns liegt.
Falls Sie einen Dolmetscher brauchen, steht Ihnen unser Bordarzt zur Verfügung.«
»Das dürfte ich mit meinen dreißig russischen Vokabeln grade noch hinkriegen«, antwortete der Funkoffizier aufgeräumt.
Briscoe wandte sich an Rudolph. »Na schön, sagen Sie ihm, daß wir ihm Landeerlaubnis
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