Schockwelle
Wenn er gelingen soll, brauche ich jedes Gramm, jedes Karat, das meine Minen bis dahin hergeben. Für weltweite Berichterstattung in der Presse ist gesorgt, die Anzeigenplätze in den Printmedien und die entsprechenden Werbezeiten im Fernsehen sind gebucht. Die Planung kann und wird nicht mehr geändert werden. Wenn dabei ein paar Lumpen drauf gehen, kann man auch nicht helfen.«
Geistige Umnachtung, dachte Pitt. Nur so ließ sich die abgrund tiefe Boshaftigkeit beschreiben, die aus Dorsetts kohlschwarzen Augen sprach. Geistige Umnachtung und keinerlei Schuldbewußtsein. Ein Mann ohne jedes Gewissen.
Pitt spürte, wie es ihn bei seinem bloßen Anblick kalt überlief.
Er fragte sich, für wie viele Tote Arthur Dorsett verantwortlich sein mochte, lange bevor er mittels Ultraschall Diamanten gefördert hatte. Wie viele Menschen hatten sterben müssen, weil sie ihm im Weg gewesen waren? Mit einem jähen Schaudern erkannte er, daß dieser Mann ein ausgesprochener Psychopath war, einem Serienmörder vergleichbar.
»Sie werden für Ihre Verbrechen büßen müssen, Dorsett«, sagte Pitt ruhig, aber mit eiskaltem Unterton. »Sie werden mit Sicherheit büßen für all die Schmerzen und das Leid, das Sie verursacht haben.«
»Und wer wird dieser Racheengel sein, der mich zur Rechenschaft zieht?« versetzte Dorsett höhnisch. »Sie vielleicht? Oder Mr. Giordino? Ich glaube nicht, daß es so etwas wie eine himmlische Gerechtigkeit gibt. Das wäre doch sehr abwegig. Eins weiß ich genau, Mr. Pitt: Sie werden es nicht mehr erleben.«
»Die Zeugen per Kopfschuß erledigen und die Leichen über Bord werfen – ist das Ihre übliche Tour?«
»Sie und Mr. Giordino per Kopfschuß erledigen?« Arthur Dorsett sprach in einem völlig ungerührten, gefühllosen Tonfall.
»Nicht so grob und ordinär, aber auch nicht so gnädig. Ins Meer werfen? Ja, dazu bin ich fest entschlossen. Auf jeden Fall werde ich dafür sorgen, daß Sie und Ihr Freund eines langsamen und schmerzhaften Todes sterben werden.«
31
Nachdem sie etwa dreißig Stunden lang mit unglaublicher Geschwindigkeit durchs Meer gepflügt waren, tuckerten die schweren Turbodiesel jetzt nur mehr leise vor sich hin, und die Jacht wurde langsamer und trieb schließlich in der leichten Dünung. Längst war die neuseeländische Küste achteraus verschwunden. Blitze zuckten durch Wolken im Norden und im Westen, und dumpfer Donner grollte am Horizont. Im Süden und im Osten gab es weder Wolken noch Donner. Dort war der Himmel blau und klar.
Pitt und Giordino waren die ganze Nacht und den halben Tag in einer Vorratskammer hinter dem Maschinenraum eingesperrt gewesen. Selbst wenn sie die Knie bis unters Kinn hochzogen, hatten sie kaum genügend Platz zum Sitzen. Pitt war die meiste Zeit über wach geblieben und hatte mit geschärften Sinnen auf das Geräusch der Motoren und das dumpfe Klatschen der Wellen gelauscht. Giordino hatte einmal die Beherrschung verloren und die Tür aus den Angeln gerissen, war aber prompt auf vier Wachposten gestoßen, die ihm die Mündungen ihrer automatischen Waffen in den Bauch gedrückt hatten. Er hatte sich geschlagen gegeben, war kurzerhand zu Boden gesackt und eingeschlafen, ehe die Tür wieder eingehängt war.
Pitt war wütend. Er gab sich die Schuld an ihrer Notlage und übte harte Selbstkritik. Aber eigentlich konnte man ihm nichts vorwerfen. Wie hätte er John Merchant durchschauen sollen? Er hatte sich überrumpeln lassen, weil er nicht bedacht hatte, wie versessen die Dorsetts darauf waren, Maeve wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Er und Giordino waren lediglich Randfiguren. Für Arthur Dorsett waren sie wenig mehr als ein kleines Ärgernis, durch das er sich sein wahnwitziges Streben nach noch mehr Reichtum nicht verdrießen ließ.
Die Verbissenheit, mit der sie einen derart komplizierten Plan in die Tat umgesetzt hatten, nur um eine Tochter einzufangen und die Männer der NUMA auszuschalten, hatte etwas Unheimliches und Bedrohliches an sich. Pitt fragte sich gerade, warum man ihn und Giordino überhaupt am Leben gelassen hatte, als die beschädigte Tür aufging und John Merchant hämisch grinsend auf der Schwelle stand. Pitt warf unwillkürlich einen Blick auf seine Doxa-Uhr. Es war zwanzig Minuten nach elf.
»Wird Zeit, daß Sie sich an Bord Ihres Bootes begeben«, erklärte er freundlich.
»Steigen wir um?« fragte Pitt.
»Sozusagen.«
»Ich hoffe bloß, daß der Service dort besser ist«, sagte Giordino träge. »Sie werden sich
Weitere Kostenlose Bücher