Schockwelle
russischen und australischen Lagerhäusern massenhaft unbearbeitete Steine herumliegen.
Man hält sie zurück, um den Wert künstlich zu steigern.
Außerdem weiß ich, das das von De Beers geleitete Kartell sein Monopol ausnutzt, um die Preise festzusetzen. Wie also sollte ein Mann das gesamte Syndikat herausfordern und einen jähen, drastischen Preisverfall auf dem Diamantenmarkt verursachen können?«
»Das Kartell wird mir entgegenkommen«, sagte Dorsett verächtlich. »In der Vergangenheit hat das Kartell jedesmal die Preise radikal herabgesetzt, sobald ein Diamantenproduzent, sei es ein Privatmann oder eine Nation, das Monopol umgehen und die Steine auf dem freien Markt vertreiben wollte. Der Abtrünnige, der damit nicht konkurrieren konnte, mußte bald feststellen, daß seine Lage aussichtslos war, und reumütig in den Schoß des Kartells zurückkehren. Ich rechne damit, daß das Kartell in meinem Fall ebenso verfahren wird. Bis man begreift, daß ich Millionen von Steinen zu Billigstpreisen auf den Markt werfe, weil es mir gar nicht ums Geld verdienen geht, ist es zu spät für Gegenmaßnahmen. Dann wird der Markt bereits zusammengebrochen sein.«
»Und was springt für Sie heraus, wenn Sie einen kaputten Markt beherrschen?«
»Es geht mir nicht darum, den Markt zu beherrschen, Mr. Pitt.
Ich will ihn ein für allemal vernichten.«
Pitt bemerkte, daß Dorsett ihn nicht direkt anschaute, sondern den Blick unverwandt auf einen Punkt hinter seinem Kopf gerichtet hatte, als gäbe es dort etwas, was nur er sehen konnte.
»Wenn ich Sie recht verstehe, sägen Sie also den Ast ab, auf dem Sie sitzen.«
»So klingt es, nicht wahr?« Dorsett fuchtelte mit dem Finger vor Pitt herum. »Genau das sollen alle denken, selbst meine engsten Geschäftspartner und meine eigenen Töchter. In Wahrheit jedoch gedenke ich dadurch sehr viel Geld zu verdienen.«
»Wie das?« fragte Pitt, dessen Interesse geweckt war.
Dorsett verzog den Mund zu einem teuflischen Grinsen und bleckte die häßlichen Zähne. »Des Rätsels Lösung lautet: Es geht nicht um Diamanten, sondern um den Markt für sogenannte Buntedelsteine.«
»Mein Gott, jetzt verstehe ich, worauf das Ganze hinausläuft«, sagte Maeve, als hätte sie soeben eine Offenbarung erlebt. »Du willst eine Monopolstellung auf dem Buntedelsteinmarkt erringen.«
Maeve fing an zu zittern, teils aus Angst, aber auch, weil sie in ihrer nassen Kleidung erbärmlich fror. Pitt zog seine durchweichte Lederjacke aus und legte sie ihr um die Schultern.
Dorsett nickte. »Jawohl, liebe Tochter. In den letzten zwanzig Jahren hat dein kluger alter Vater die von ihm geförderten Diamanten gehortet und zugleich heimlich Anteile an großen Buntedelsteinminen in aller Welt gekauft. Über eine ganze Reihe kompliziert verschachtelter Tarn- und Tochterfirmen beherrsche ich mittlerweile etwa achtzig Prozent des Marktes.«
»Mit Buntedelsteinen«, sagte Pitt, »meinen Sie vermutlich Rubine und Smaragde.«
»In der Tat, und dazu eine Vielzahl anderer Edelsteine, darunter Saphire, Topase, Turmaline und Amethyste. Die meisten sind viel seltener als Diamanten. Neue Vorkommen zu finden wird immer schwieriger. Das gilt zum Beispiel für den Tsavorit, den roten Beryll oder roten Smaragd und den mexikanischen Feueropal. Viele Edelsteine sind so rar, daß sie inzwischen von Sammlern begehrt und nur noch selten zu Schmuck verarbeitet werden.«
»Und warum sind Buntedelsteine nicht ebenso teuer wie Diamanten?« fragte Pitt.
»Weil es das Kartell immer wieder fertiggebracht hat, die Preise für Buntedelsteine zu drücken«, erwiderte Dorsett hitzig.
»Vier Jahrzehnte lang hat De Beers gewaltige Geldsummen zur Erforschung und Beobachtung der internationalen Märkte aufgewandt. Man hat Millionen für Werbemaßnahmen ausgegeben und den Eindruck erzeugt, Diamanten seien von ewigem Wert. Um trotz wachsenden Angebots die Preise zu halten, hat De Beers eine künstliche Nachfrage nach Diamanten erzeugt. Und um auch die Männer als Kunden zu gewinnen, gaukelte man ihnen vor, sie müßten den Frauen zum Beweis ihrer Liebe Diamanten schenken, und startete eine schlaue Werbekampagne, die in dem Spruch gipfelte ›Diamanten sind unvergänglich‹. Er schritt jetzt im Salon auf und ab und gestikulierte mit beiden Händen. »Da das Geschäft mit Buntedelsteinen von Tausenden von unabhängigen Produzenten bestritten wird, die sich alle gegenseitig Konkurrenz machen, gab es keine einheitliche Organisation, die den
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