Schockwelle
blaffte Arthur Dorsett. »Mach dir an dieser Ratte nicht die Hände schmutzig.«
Giordino stand nach wie vor ungerührt und wie versteinert da, als Boudicca die Hände von seinem Hals löste, einen Schritt zurücktrat und ihre zerschrammten Knöchel rieb.
»Beim nächstenmal«, fauchte sie, »wird mein Vater nicht dabeisein und deine dreckige Haut retten.«
»Hast du schon mal daran gedacht, ins Profilager zu wechseln?« entgegnete Giordino heiser und betastete vorsichtig die Würgemale an seinem Hals. »Ich kenne einen Zirkus, der jemand für sein Monstrositätenkabinett sucht.«
Pitt legte die Hand auf Giordinos Schulter. »Hören wir uns erst mal an, was Mr. Dorsett zu sagen hat, bevor du zur Revanche antrittst.«
»Sie sind klüger als Ihr Freund«, sagte Dorsett.
»Nur wenn es um Schadensbegrenzung oder den Umgang mit Kriminellen geht.«
»Ist das etwa Ihre Meinung? Halten Sie mich für einen gewöhnliche n Kriminellen?«
»Ja, unbedingt, schließlich haben Sie Hunderte von Menschen auf dem Gewissen.«
Dorsett zuckte ungerührt die Achseln und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Bedauerlich, aber unvermeidbar.«
Pitt konnte seinen Zorn auf Dorsett kaum bezähmen. »Der Tod unschuldiger Frauen, Männer und Kinder läßt sich durch nichts rechtfertigen.«
»Warum sich von ein paar Toten um den Schlaf bringen lassen, solange in der dritten Welt Jahr für Jahr Millionen von Menschen an Hunger, Krankheiten oder Kriegen zugrunde gehen?«
»Muß an meiner Erziehung liegen«, sagte Pitt. »Meine Mutter hat mich gelehrt, daß das Leben ein Geschenk ist.«
»Leben ist eine Ware, mehr nicht«, erwiderte Dorsett verächtlich. »Menschen sind wie Werkzeuge, die man benutzt und anschließend wegwirft oder zerstört, wenn sie ihren Zweck erfüllt haben. Ich habe Menschen wie Sie immer bedauert, Männer, die sich mit Moral oder Prinzipien abplagen. Sie sind dazu verdammt, einer Chimäre hinterherzujagen, dem Glauben an eine ideale Welt, die es nie gegeben hat und niemals geben wird.«
Pitt war mittlerweile klargeworden, daß er es mit einem Wahnsinnigen zu tun hatte. »Auch Sie jagen einer Chimäre hinterher, und Sie werden dabei untergehen.«
Dorsett lächelte grimmig. »Sie irren sich, Mr. Pitt. Ich werde meine Pläne in die Tat umsetzen, ehe mein letztes Stündlein schlägt.«
»Sie haben eine ziemlich krankhafte und verquere Einstellung zum Leben.«
»Bislang bin ich damit gut klargekommen.«
»Warum unterbinden Sie eigentlich nicht einfach die Fördermethoden, die zu diesem Massensterben draußen auf dem Meer führen?«
»Weil ich mehr Diamanten fördern will, aus welchem Grund denn sonst?« Dorsett musterte Pitt, als betrachtete er eine ausgefallene Bakterienkultur in einem Reagenzglas. »In wenigen Wochen werde ich Millionen von Frauen glücklich machen, weil ich ihnen die kostbaren Steine zu einem Preis anbieten werde, den jeder Bettelmann bezahlen kann.«
»Aber bestimmt nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit.«
»Diamanten sind nichts anderes als komprimierter Kohlenstoff. Sie haben nur eine nützliche Eigenschaft, sie sind der härteste Stoff, den es gibt. Ohne Diamanten kann man weder Werkzeuge herstellen noch Felsen durchbohren. Wissen Sie eigentlich, daß der Begriff ›Diamant‹ aus dem Griechischen stammt, Mr. Pitt? Es bedeutet soviel wie unbezwingbar. Die alten Griechen, und später auch die Römer, trugen sie zum Schutz vor wilden Tieren und allerlei anderen Feinden. Die Frauen indes schätzten die Steine weitaus weniger als ihre modernen Geschlechtsgenossinnen. Man trug sie zum Schutz vor bösen Geistern und benutzte sie dazu, die eheliche Treue auf die Probe zu stellen. Doch was die Schönheit angeht, sind sie keineswegs einzigartig. Bergkristallen kann man das gleiche Feuer entlocken.«
Dorsetts Miene änderte sich nicht, als er über Diamanten sprach, doch die pochende Ader seitlich an seinem Hals verriet, wie sehr ihn das Thema faszinierte. Er sprach, als hätte er sich mit einemmal in eine höhere Sphäre aufgeschwungen, die außer ihm nur wenige erreichen konnten.
»Wissen Sie, daß Erzherzog Ferdinand von Österreich 1477 den ersten diamantenen Verlobungsring anfertigen ließ und ihn Maria von Burgund schenkte? Oder daß der Glaube, wonach der Mittelfinger der linken Hand über eine ›Liebesader‹ direkt mit dem Gehirn verbunden ist, auf die alten Ägypter zurückgeht?«
Pitt starrte ihn mit unverhohlener Verachtung an. »Ich weiß nur, daß in südafrikanischen,
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