Schockwelle
sie nicht vom Vizepräsidenten oder wichtigen Kongreßabgeordneten der eigenen Partei gestellt wurden. Selbst Kabinettsmitglieder hatten mitunter Schwierigkeiten, zum Präsidenten vorzudringen. Hutton hütete die Pforte zum Zentrum der Macht mit wahrem Feuereifer.
Und Hutton ließ sich nicht so leicht einschüchtern. Er war groß und kräftig wie ein Ringkämpfer. Die schütter werdenden blonden Haare waren messerscharf gestutzt, so daß sein Kopf wie ein rotgefärbtes Ei wirkte. Die blassen, rauchblauen Auge n starrten ständig geradeaus, ohne links und rechts zu blicken. Er hatte auf der Arizona State University studiert, in Stanford seinen Doktor gemacht und war bekannt dafür, daß er ziemlich unwirsch und kurz angebunden sein konnte, wenn jemand mit seiner altehrwürdigen Eliteuniversität herumprotzte.
Im Gegensatz zu vielen anderen Beratern des Weißen Hauses hatte er Hochachtung vor dem Pentagon. Er hatte bei der Infanterie gedient und war im Golfkrieg hoch dekoriert worden.
Seine Vorliebe galt nun mal dem Militär. Generälen und Admirälen begegnete er grundsätzlich höflicher als gewöhnlichen Politikern. »Jim, schön, Sie mal wieder zu sehen«, begrüßte er Sandecker freundlich, obwohl der Admiral sich nicht vorher angekündigt hatte. »Ihre Bitte um ein Gespräch mit dem Präsidenten klang dringend, aber ich fürchte, er kann keine Zeit für Sie erübrigen. Sie haben sich umsonst herbemüht.«
Sandecker lächelte, dann wurde er ernst. »Die Angelegenheit ist zu heikel, als daß man am Telefon darüber sprechen könnte, Will. Und zu eilig für den üblichen Dienstweg. Je weniger Menschen um die drohende Gefahr wissen, desto besser.«
Hutton winkte Sandecker zu einem Sessel, ging dann zu seiner Bürotür und schloß sie. »Ich bitte um Entschuldigung, falls ich kalt und herzlos geklungen habe. Aber solche Geschichten kriege ich ständig zu hören.«
»Die hier bestimmt nicht. In sechzehn Tagen werden in Honolulu und auf dem größten Teil von Oahu alle Menschen, Männer, Frauen und Kinder, sterben.«
Sandecker konnte Huttons durchdringenden Blick geradezu spüren. »Ach, kommen Sie, Jim. Was soll das?«
»Meine Wissenschaftler und Datenanalytiker bei der NUMA haben das Geheimnis dieses rätselhaften Phänomens geknackt, durch das im Pazifischen Ozean Menschen umkommen und die Meeresfauna vernichtet wird.« Sandecker öffnete seinen Aktenkoffer und legte eine Mappe auf Huttons Schreibtisch.
»Hier ist der Bericht mit unseren Erkenntnissen. Es geht um ein Phänomen, das wir als akustischen Tod bezeichnen. Ultraschall, der unter bestimmten geologischen Bedingungen verstärkt wird, sich mit gewaltiger Energie im Meer fortpflanzt, bis es zu einer Konvergenz mit Wellen anderen Ursprungs kommt, bei der alles Leben im Umkreis von neunzig Kilometern vernichtet wird.«
Hutton schwieg zunächst. Einen Moment lang fragte er sich, ob der Admiral noch bei Trost war. Aber er kannte Sandecker lange genug, um ihn ernst zu nehmen, wußte er doch, mit welch bedingungsloser Hingabe er sich seinem Auftrag verschrieben hatte. Er schlug die Akte auf und überflog den Inhalt, während der Admiral geduldig danebensaß. Schließlich blickte er auf.
»Sind sich Ihre Leute hundertprozentig sicher?«
»Absolut«, entgegnete Sandecker.
»Irrtümer sind immer möglich.«
»Irrtum ausgeschlossen«, sagte Sandecker mit Nachdruck.
»Aber es besteht, wie ich zugeben muß, eine knapp fünfprozentige Chance, daß es zu einer Konvergenz kommen könnte, von der die Insel nicht betroffen ist.«
»Wie mir gerüchteweise zugetragen wurde, haben Sie sich in dieser Sache auch an die Senatoren Raymond und Ybarra gewandt, konnten sie aber nicht dazu bewegen, Ihre Forderungen nach einer militärischen Maßnahme gegen die Anlagen der Dorsett Consolidated Mining zu unterstützen.«
»Ich konnte sie vom Ernst der Lage nicht überzeugen.«
»Und nun wollen Sie sich an den Präsidenten persönlich wenden.«
»Ich würde mich an den lieben Gott wenden, wenn ich damit zwei Millionen Menschen das Leben retten könnte.«
Hutton hatte den Kopf zur Seite geneigt und musterte Sandecker mit zweifelndem Blick. Er trommelte ein paarmal mit seinem Stift auf die Schreibtischplatte, nickte dann und stand auf, überzeugt davon, daß man den Admiral nicht ignorieren durfte. »Warten Sie bitte«, befahl er. Er trat durch eine Tür, die unmittelbar ins Oval Office führte, das Amtszimmer des Präsidenten, und verschwand für gut zehn Minuten. Als er
Weitere Kostenlose Bücher