Schockwelle
Sehschlitze schaute. »Kannst du die Schlitze eine Idee breiter machen? Ich komme mir vor, als ob ich unter einer Tür durchgucke.«
Pitt lächelte und reichte Giordino sein Schweizer Offiziersmesser. »Du darfst dir deine Brille ganz nach deinem Geschmack zurechtschnitzen.«
»Apropos Geschmack«, meldete sich Maeve, die neben einem kleinen Feuer stand, das sie mit den Streichhölzern aus Pitts Notfallausrüstung angezündet hatte. »Greift bitte zu. Heute abend gibt’s gegrillte Makrelen und Herzmuscheln, die ich unterhalb der Flutgrenze aus dem nassen Sand gegraben habe.«
»Dabei hatte sich mein Magen grade an rohen Fisch gewöhnt«, flachste Giordino.
Maeve servierte die dampfenden Fische und die Muscheln auf Yorks alten Tellern. »Morgen abend gibt’s Geflügel, falls wir in unserer kleinen Gruppe einen guten Schützen haben.«
»Sollen wir etwa wehrlose kleine Vögel abschießen?«
Giordino tat entsetzt.
»Auf den Felsen da drüben habe ich mindestens zwanzig Fregattvögel gezählt«, sagte sie und deutete zur Nordküste.
»Wenn wir einen gut getarnten Unterstand bauen, kommen sie so nahe ran, daß wir sie sogar mit unserer kleinen Spielzeugpistole treffen.«
»Gegrillter Fregattvogel wird meinem geschrumpften Magen eine Freude sein. Ich besorge uns das morgige Abendessen.
Wenn nicht, darfst du mich an den Daumen aufhängen«, versprach Pitt.
»Hast du außer den Sonnenbrillen auch noch andere Tricks auf Lager?« fragte Maeve neckend.
Pitt legte sich rücklings in den Sand und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Gut, daß du mich darauf ansprichst.
Nachdem ich mir einen ganzen Nachmittag lang den Kopf zerbrochen habe, bin ich zum Schluß gekommen, daß wir in eine etwas angenehmere Klimazone weiterziehen sollten.«
Maeve warf ihm einen äußerst skeptischen Blick zu.
»Weiterziehen?« Sie wandte sich um Beistand heischend an Giordino, doch der schaute sie nur an, als wollte er sagen: »Du lernst es nie«, und nagte weiter an seiner Makrele herum. »Wir haben zwei schwer beschädigte Boote, mit denen wir nicht mal über einen Swimmingpool segeln können. Womit sollen wir unsere Luxuskreuzfahrt ins Nirgendwo deiner Ansicht nach antreten?«
»Elementar, meine liebe Fletcher«, sagte er aufgeräumt. »Wir bauen uns ein drittes Boot.«
»Ein Boot bauen?« Sie klang, als wollte sie jeden Moment laut loslachen.
Giordino hingegen schaute ihn ernst und gespannt an. »Meinst du etwa, wir kriegen Yorks Segelboot wieder flott?«
»Nein. Der Rumpf ist zu stark beschädigt, als daß wir ihn mit unseren begrenzten Mitteln reparieren könnten. York war ein erfahrener Segler, und er hat offenbar keine Möglichkeit gesehen, es wieder zum Schwimmen zu bringen. Wir können aber das Oberdeck verwenden.«
»Und warum bleiben wir nicht einfach hier und machen das Beste daraus?« wandte Maeve ein. »Wir sind einfallsreicher als der arme Rodney und haben viel mehr Erfahrung in der Kunst des Überlebens. Wenn wir genug Fische und Vögel fangen, können wir hier aushalten, bis ein Schiff vorbeikommt.«
»Genau da liegt der Hund begraben«, sagte Pitt. »Wir können eben
nicht
von dem leben, was wir fangen. Den ausgefallenen Zähnen nach zu schließen, ist Rodney an Skorbut gestorben. Der Mangel an Vitamin C und zig anderen Nährstoffen hat ihn so geschwächt, daß sein Körper nicht mehr mitspielte. In dem Zustand war der Tod dann nur noch eine Frage der Zeit. Falls irgendwann ein Schiff vorbeikommen und einen Erkundungstrupp an Land schicken sollte, wird man allenfalls vier Skelette statt eins finden. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir lieber alles versuchen sollten, um von hier wegzukommen, solange wir noch bei Kräften sind.«
»Dirk hat recht«, sagte Giordino zu Maeve. »Nur wenn wir die Insel verlassen, haben wir die Chance, die Lichter der Großstadt noch mal wiederzusehen.«
»Ein Boot bauen?« fragte Maeve. »Womit denn?«
Anmutig und energisch zugleich stand sie da, den Kopf wie ein wachsamer Luchs leicht zur Seit e geneigt. Arme und Beine waren schlank und tief gebräunt, ihr Körper wirkte straff und jugendlich.
Pitt fand sie mindestens ebenso faszinierend wie einst an Bord der
Ice Hunter.
»Hier ein Schwimmkörper von unserem Boot, da die Aufbauten von Yorks Boot, dazu ein paar Baumstämme, und eh’ du dich versiehst, haben wir ein hochseetüchtiges Schiff.«
»Das will ich sehen«, sagte Maeve.
»Wie belieben«, erwiderte Pitt leichthin und fing an, eine Skizze in den Sand zu
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