Schockwelle
Gunn. »Aber bislang sind sie noch auf keinen Hinweis gestoßen, der Rückschlüsse auf die Ursache liefern könnte.«
»Haben die Pathologen bei den fünf Fischern, die von der Küstenwache tot in ihrem Boot vor Chirikof Island gefunden wurden, irgend etwas feststellen können?«
»Die Obduktion ergab bislang keine Gewebeschädigungen durch Gifte, weder im Magen-Darm-Trakt noch in den Atmungsorganen. Ebensowenig einen Hinweis auf eine den Medizinern bekannte, schnell wirkende Krankheit. Ich habe veranlaßt, daß Colonel Hunt vom Walter Reed Army Medical Center Sie sofort anruft, wenn er seinen Bericht fertiggestellt hat.«
»Verdammt!« platzte Sandecker los. »Irgendwas hat sie aber umgebracht. Der Kapitän war im Ruderhaus und hatte beide Hände am Steuer, als er gestorben ist. Und die Crew hat’s erwischt, als sie gerade die Netze einholen wollte. Die Leute fallen doch nicht ohne jeden Grund einfach tot um, jedenfalls keine kerngesunden Männer, alle Mitte Zwanzig bis Mitte Dreißig.«
Yeager nickte zustimmend. »Vielleicht suchen wir an der falschen Stelle. Es muß sich um etwas handeln, was wir bislang noch nicht in Betracht gezogen haben.«
Sandecker starrte dem Zigarrenrauch hinterher, der kräuselnd zur getäfelten Decke aufstieg. Er deckte selten alle Karten auf einmal auf, sondern drehte lieber langsam eine nach der anderen um.
»Ich habe kurz vor unserer Besprechung mit Dirk Pitt telefoniert.«
»Gibt’s bei ihm irgendwas Neues?« fragte Gunn.
»Die Biologen an Bord der
Ice Hunter
haben nichts gefunden, aber Dirk hat eine Theorie. Ziemlich weit hergeholt, wie er selber zugibt, aber bislang ist keiner von uns darauf gekommen.«
»Ich würde sie gern hören«, sagte Yeager.
»Er meint, es handelt sich um eine Umweltschädigung der besonderen Art.«
Gunn schaute Sandecker mit zweifelndem Blick an. »Und um welche Umweltschädigung soll es sich dabei handeln?«
Sandecker grinste wie ein Scharfschütze, der sein Opfer ins Visier nimmt. »Lärm«, antwortete er kurzerhand.
»Lärm«, wiederholte Gunn. »Was für Lärm?«
»Er meint, es könnte sich um tödliche Schallwellen handeln, die sich über Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Kilometern unter Wasser fortpflanzen, dann an die Oberfläche gelangen und innerhalb eines bestimmten Gebiets alles Leben vernichten.« Sandecker hielt inne, musterte die Gesichter seiner Untergebenen und wartete auf deren Reaktion.
Yeager war normalerweise kein Zyniker, doch jetzt legte er den Kopf zurück und lachte lauthals los. »Ich fürchte, der gute alte Pitt hat sich zu schnell und zu gierig an seinen Lieblingstequila ge hängt.«
Rudi Gunn hingegen wirkte ganz und gar nicht skeptisch.
Gespannt schaute er eine Zeitlang auf die Computergrafik des Pazifischen Ozeans. »Ich glaube, Dirk ist da auf etwas gestoßen«, sagte er dann.
Yeager zog die Augenbrauen zusammen. »Meinst du?«
»Jawohl«, erwiderte Gunn ernsthaft. »Es könnte sich durchaus um gefährliche Schallwellen handeln, die sich unter Wasser ausbreiten.«
»Dazu hätte ich gern noch weitere Meinungen«, sagte Sandecker.
»Als Dirk mir die Sache zum erstenmal dargelegt hat, dachte ich, er könnte vor Müdigkeit nicht mehr klar denken. Aber je mehr ich über seine Theorie nachdenke, desto mehr glaube ich, daß etwas dran sein könnte.«
»Es geht das Gerücht«, sagte Yeager, »daß er die
Polar Queen
im Alleingang gerettet haben soll.«
Gunn nickte. »Stimmt genau. Nachdem Al ihn vom Hubschrauber aus abgesetzt hat, hat er das Schiff von den Felsen weggesteuert und damit vor dem sicheren Untergang bewahrt.«
»Zurück zu den toten Fischern«, sagte Sandecker und rief die Runde wieder zur Räson. »Wieviel Zeit haben wir, bis wir die Leichen den Behörden von Alaska überstellen müssen?«
»Etwa fünf Minuten, nachdem bekannt wird, daß wir sie haben«, erwiderte Gunn. »Die Männer auf dem Kutter der Küstenwache, der das treibende Schiff im Golf von Alaska entdeckt hat, werden bestimmt plaudern, sobald sie an ihrem Stützpunkt auf Kodiak anlegen und an Land gehen.«
»Auch wenn ihnen der Kapitän befohlen hat, Stillschweigen zu wahren?« sagte Sandecker.
»Wir sind nicht im Krieg, Admiral. Die Küstenwache ist in den Gewässern da droben hoch angesehen. Denen wird es nicht schmecken, bei einer Vertuschungsaktion mitzumachen, bei der es um Männer geht, denen sie eigentlich das Leben retten sollen.
Nach zwei, drei Gläsern im Yukon Saloon erzählen sie die Geschichte jedem, der sich
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