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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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außer der Haut teilt. Ein Teil seiner Flexibilität verdankt es den Fettzellen, aus denen das Fettgewebe besteht.
    Einzelne Fettzellen können sich auf mehr als das Zehnfache ihrer ursprünglichen Größe aufblähen. Eine Fettzelle ist nichts weiter als ein von einer Membran umschlossener großer, runder Fetttropfen. Sie lässt sich, wie eine Wurstpelle sich mit immer mehr Fleisch vollstopfen lässt, mit immer mehr Fett anfüllen. Wenn sich nach einer Weile die Fettmengen in Ihrer Ernährung als zu reichlich erweisen, als dass die vorhandenen Fettzellen sie aufnehmen könnten, beginnt Ihr Körper, neue zu bilden, und diese Fettzellen sterben nie. Wenn Sie abnehmen, schrumpfen die Fettzellen, aber sie liegen auf der Lauer und warten nur auf das nächste fette Mahl.
    Eben weil Fett so einfach und amorph wirkt, hat es die Forschung lange Zeit versäumt, die Bedeutung seines Zuwachses in bestimmten Teilen des Körpers angemessen zur Kenntnis zu nehmen. Doch dann begannen die Epidemiologen festzustellen, dass bei Menschen, die um den Bauch herum ihre Pfunde zulegten, das Herzinfarktrisiko höher war als bei Leuten, die an Oberschenkeln und Gesäß zunahmen. Diese Beobachtung veranlasste die Forscher, sich Gedanken über das biochemische Profil verschiedener Fettspeicher zu machen und bei der Korpulenz unserer Säugetierkollegen nach Hinweisen Ausschau zu halten. Einige der aufschlussreicheren Befunde entstammten Untersuchungen an dem Fettspeicher, der das Herz umgibt. Auf den ersten Blick erscheint die Anlage von Fettschichten in unmittelbarer Nähe des Herzens wie eine höchst mangelhafte Ingenieurleistung, denn das schwere Fettpolster muss mit jedem Herzschlag bewegt werden. Dennoch entpuppt sich Fett an dieser Stelle als überaus vorteilhaft. Es hat die bemerkenswerte Eigenschaft, Fettsäuren aus dem Blut aufzunehmen und die entsprechenden Lipide herzustellen, die der Herzmuskel als Brennstoff benötigt. Obendrein wirkt es als absorbierender Puffer und schützt den empfindlichen Herzmuskel vor zu viel Fett nach einer besonders üppigen Mahlzeit.
    Jede Fettablagerung hat ihren ganz eigenen biochemischen Charme. Die Polster um die Oberschenkel nehmen bereitwillig Lipide aus dem Blut auf und geben ihren einmal gespeicherten Fettschatz nur sehr widerstrebend wieder her. Gleichzeitig ist Oberschenkelfett relativ zurückhaltend bei der Aufnahme von Glukose, einfachem Zucker, der als Energiequelle direkt zur Verfügung steht. Die geringen Fettmengen hingegen, die man im ganzen Körper zwischen den Muskeln findet, haben eine Vorliebe dafür, Glukose aus dem Blut aufzunehmen, die sie dann zu Lipiden umwandeln, mit denen sich das hungrige Muskelgewebe nebenan beschicken lässt. Die unterschiedliche Biochemie hat ihren tieferen Sinn: Intramuskuläres Fett dient der raschen Reaktion und Lagerung; Oberschenkelfett ist dazu da, langfristige Nachfragen zu bedienen. Heutzutage haben die meisten von uns allerdings keinen langfristigen Bedarf mehr, aber irgendwie haben unsere Oberschenkel das Zeitalter der regelmäßig geöffneten Supermärkte noch nicht so recht verinnerlicht. Ein gewisser Trost schlummert in jenen Satteltaschen dennoch: Nach einer fettreichen Mahlzeit entfernen sie umgehend das Fett aus dem Blut, bevor es Gelegenheit hat, sich in den Arterien anzusetzen. Aus gesundheitlicher Sicht ist Oberschenkelfett also nicht das Schlechteste.
    Die Oberschenkel sind jedoch nicht die einzigen Fettlager. Wie vielen Frauen nur allzu bewusst ist, sind sie selbst alles in allem ein bisschen runder als Männer. Auch hier lassen sich an anderen Arten die Gründe für solche Unterschiede aufzeigen. Bei der Analyse der am Fettstoffwechsel von Säugetieren beteiligten Enzyme stellten die Forscher fest, dass die Lipoprotein-Lipase, das für die Einlagerung von Fett hauptsächlich verantwortliche Enzym, unter anderem von den Geschlechtshormonen kontrolliert wird. Sowohl Männchen als auch Weibchen bedienen sich dieses Enzyms zur Einlagerung von Fettspeichern. Doch bei den Weibchen vieler Arten stimulieren die weiblichen Geschlechtshormone auf irgendeine Weise die rasche ProduktioI1 dieses Enzyms und lassen die Weibchen vor oder während der Schwangerschaft gehörig Fett einlagern. Beim Menschen sind die Unterschiede der Lipoprotein-Lipase-Aktivität zwischen den Geschlechtern sogar noch auffälliger, und dies erklärt die unterschiedliche Fettverteilung bei Männern und Frauen. Bei Frauen tendieren die Fettzellen im Hüft-, Oberschenkel-und

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