Schön scheußlich
Bereich Ernährung ausgesprochen anfällig für Spinnereien, Scharlatanerie und Hysterie. Viele seriöse Forscher schrecken davor zurück.
Auch ist der Ansporn für Studien zur Prävention von Krebs eher zaghaft im Vergleich zu denen zu seiner Behandlung. Im Schnitt fließen nur etwa fünf Prozent des jährlichen Budgets von schätzungsweise zwei Milliarden Dollar in die Krankheitsprävention. Weit mehr wird in teure und anspruchsvolle Studien wie die Untersuchungen zur Gentherapie gesteckt, die, so sie denn funktioniert, den vielen Krebspatienten erst in etlichen Jahren zur Verfügung stehen wird. Die Kosten dafür, den weithin gepriesenen Wirkstoff Taxol auf den Markt zu bringen, beliefen sich Schätzungen zufolge auf eine Milliarde Dollar. Dennoch verlängert dieses Medikament das Leben einer an Eierstockkrebs erkrankten Patientin lediglich um etwa fünf Monate. Würde doch nur eine ähnlich hohe Summe dafür ausgegeben, Krebs von vornherein zu verhindern! Es wäre ein Unternehmen, das ein besseres Verständnis der Dinge voraussetzt, die die Leute kauen und schlucken.
Sicher besteht ein Teil der Vorzüge einer pflanzlichen Ernährung in dem, woran sie uns hindert: Jemand, der eine Menge Obst und Gemüse isst, wird sich höchstwahrscheinlich nicht mit zu vielen fettigen Nahrungsmitteln belasten. Hinzu kommt, dass Gemüse weniger Kalorien hat als Fleisch und Käse, und eine verringerte Kalorienaufnahme, so hat sich in Tierversuchen herausgestellt, senkt das Krebsrisiko drastisch. Doch abgesehen von den Tugenden der Enthaltsamkeit hat Gemüse noch viele andere Pluspunkte zu verzeichnen. Bei der Energiegewinnung und beim Sauerstoffverbrauch lassen die Körperzellen unablässig gefährliche Moleküle, so genannte freie Radikale, entstehen. Diese können die Gene mutieren lassen und damit den Grundstein für eine Krebserkrankung legen. Die meisten Radikale werden von den körpereigenen antioxidativ wirkenden Enzymen beiseite geschafft. Gelbe und grüne Gemüsesorten sowie Melonen und Zitrusfrüchte bieten jedoch ebenfalls ein breites Spektrum an antioxidativen Verbindungen, unter anderem die Vitamine C, E und Beta-Carotin, das der Körper zu Vitamin A zerlegt. In Tierversuchen hat sich gezeigt, dass Rosmarin, grüner Tee und Curcumin - die chemische Substanz, die für die gelbe Farbe von Curry verantwortlich ist - allesamt das Tumorwachstum unterdrücken. Dies geschieht mit größter Wahrscheinlichkeit dadurch, dass sie als Antioxidantien wirken und freie Radikale neutralisieren, bevor diese die Steuersäule der Zelle, die DNS, erreichen.
Wissenschaftler sind dem Einfluss pflanzlicher Chemikalien auf den Östrogenstoffwechsel und damit der Frage, auf welche Weise die Ernährung die Entstehung von Brustkrebs beeinflussen kann, nachgegangen. Man weiß, dass Östradiol zwei metabolische Wege gehen kann: Es kann an Position 2 oder an Position 16 seines Kohlenstoffgerüsts hydroxyliert werden. Die letztgenannte Form hat stimulierende Wirkung und weist alle Kennzeichen einer vergleichsweise gefährlichen Version auf: Bei Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko ist die Konzentration der 16er-Form im Blut erhöht, und Gewebe aus Brustkrebstumoren enthält mehr von dieser Form als das umliegende, nicht bösartig veränderte Gewebe.
Die an Position 2 hydroxylierte Form dagegen ist relativ träge. Sie ist beispielsweise bei Leistungssportlerinnen erhöht, und bei diesen liegt das Risiko für Brustkrebs unter dem Durchschnitt. Von Bedeutung für unsere Geschichte hier ist vor allem, dass die inaktive Östrogenform offenbar bei Frauen vorherrscht, die viel Gemüse aus der Familie der Kreuzblütler zu sich nehmen: Broccoli, Rosenkohl und andere Kohlarten.
Durch die Analyse der Inhaltsstoffe dieser grünen Gemüsesorten konnten Wissenschaftler zeigen, dass vor allem eine Chemikalie das Östradiol auf den harmlosen Weg bringt, und zwar das Indol-3-Carbinol. Um herauszufinden, ob diese Induktion das Krebsrisiko von Frauen in irgend einer Weise beeinflusst, wurde Mitte 1993 mit einer Studie begonnen, bei der eine Gruppe von Frauen eine tägliche Dosis von vierhundert Milligramm Indol-Carbinol einnehmen sollte. Das entspricht etwa der Hälfte der Menge, die man in einem Kopf Weißkohl findet. Binnen der ersten paar Wochen stieg der Blutspiegel der harmlosen Östrogenvariante auf Konzentrationen, wie man sie bei Marathonläuferinnen beobachtet, und er blieb über Monate hinweg erhöht. Ob diese Veränderung im
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