Schön scheußlich
Domäne in einem Gebiet liegt, aus dem letztlich das Nervensystem hervorgeht, aber wir haben keine Vorstellung davon, welchen Bestandteil des Nervensystems sie bestimmt.«
Diese Einzelheiten zusammenzutragen, das wird die nächste Phase ihrer Karriere in Anspruch nehmen. Dr. Foe wird dann das Leben der einzelnen Zellen in den verschiedenen mitotischen Domänen verfolgen - in klösterlicher Abgeschiedenheit, oft allein, aber mit großer Freude an dem, was sich da vor ihren Augen abspielt.
35.
Wissenschaftler bei der Arbeit:
Mary-Claire King
Mary-Claire King, Genetikerin von internationalem Renommee und nuklearen Energiereserven, sitzt in ihrem sonnigen, wenig einladenden Büro an der University of California in Berkeley und berichtet über die derzeitige Nummer eins ihrer vielen Leidenschaften. Sie ist auf der Suche nach dem Gen für die erbliche Form von Brustkrebs, ein Gen, das für Hunderttausende von Frauen, bei denen das Risiko für einen frühen Ausbruch der Krankheit erhöht ist, von größter Bedeutung sein könnte. Seit siebzehn Jahren hat sie nach dem Gen gesucht und aller Skepsis ihrer Kollegen und oft auch eigenen Zweifeln die Stirn geboten. Im Jahr 1990 entdeckte sie die ungefähre Lage des Gens, und nun ringen sie und ihre Studenten darum, sich der Trophäe zu bemächtigen. Sie will sie um jeden Preis, und sie glaubt, dass ihr Labor ganz dicht dran ist. Sie weiß auch, dass andere Labors sich seither an dem Rennen beteiligt haben, und es würde ihr schwer missfallen, sollte irgendein Seiteneinsteiger im letzten Augenblick dazukommen und den Sieg davontragen.
»Es könnte direkt vor unserer Nase, auf irgendeiner unserer Platten liegen«, erklärt sie mit Blick auf die Petrischalen, in denen Abschnitte isolierten genetischen Materials auf eine Analyse warten. Ihre Stimme wird beschwörend, und zusammen mit ihrem Lächeln verschwinden ihre Grübchen. »Wir sind von der Idee besessen, dieses Gen zu finden. Ich will, dass es in unserem Labor passiert.«
Einer ihrer Studenten, ein junger Asiate, steckt seinen Kopf durch die Tür und teilt ihr mit breitem Lächeln mit, er habe ihr etwas zu sagen. Sie entschuldigt sich und folgt ihm in das Labor nebenan. Plötzlich erfüllt Freudengeschrei den Flur: »Ja! 0 wie schön! Das ist wunderbar!« Sie kehrt ins Büro zurück, ihre Wangen glühen, und ich frage mich für einen Augenblick, ob ich das große Los des Wissenschaftsjournalisten gezogen habe und zur rechten Zeit am rechten Ort einer spektakulären Entdeckung bin. »Ist das Gen gefunden?«, frage ich sie. Sind die Wissenschaftler ihrem Ziel womöglich näher als gedacht? »Er hat mir gerade erzählt, dass er heiraten wird«, berichtet sie. »Ich freue mich ja so für ihn.«
Dass Dr. King mit so unbändiger Freude auf die Freude ihres Studenten reagiert, überrascht kaum. Hinter ihr liegt zwar eine Ausbildung als Mathematikerin, und sie ist heute als Molekularbiologin nicht weniger als andere Grundlagenforscher strikter Genauigkeit, Abstraktion und dem Konkurrenzgedanken verpflichtet, aber so ziemlich alles, womit sie sich in ihrer Arbeit je beschäftigt hat, reflektiert letztlich ihren tief verwurzelten Sinn für Menschlichkeit. Erste Berühmtheit erlangte sie durch ihre Arbeit mit einer argentinischen Menschenrechtsgruppe, den Abuelas de Plaza de Mayo, die versuchte, Kinder, die in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre von der Militärjunta entführt worden waren, wieder mit ihren Familien zusammenzuführen. Durch Erbgutanalysen bei den Kindern, ihren Großmüttern und anderen Verwandten, die Argentiniens achtjährigen »schmutzigen Krieg« überlebt hatten, konnten Dr. King und ihre Mitarbeiter beweisen, dass viele als Säuglinge ihren Familien entrissen und anderen Familien überlassen worden waren, nachdem man ihre leiblichen Eltern entweder erschossen oder auf mysteriöse Weise hatte verschwinden lassen.
Auch im Fall des Dorfes Al Mozote in EI Salvador hat Dr. King sich engagiert. Dort waren im Jahr 1981 mindestens 794 Bauern, viele davon Kinder, von salvadorianischen Soldaten mit amerikanischer Militärausbildung ermordet worden. Die ersten Skelette von Opfern waren 1992 ausgegraben worden, und die Regierung von EI Salvador hatte einer gründlichen gerichtsmedizinischen Untersuchung der Überreste zugestimmt, sobald die Exhumierung abgeschlossen war. Dr. King und andere Wissenschaftler versuchen, die Skelette zu identifizieren, indem sie aus Zähnen und Knochen extrahierte DNS mit
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