Schön scheußlich
Todes mit neuem Leben erfüllt. Biologen haben Gene entdeckt, die in unerwünschten Blutzellen wie Zeitbomben wirken und Kettenreaktionen auslösen, durch die Immunzellen rasch abgebaut werden, bevor sie sich zu gefährlichen Kolonien identischer Zellen auswachsen. Sie haben Proteine entdeckt, die abnorme Auswüchse von Leber und Prostata zurückstutzen, die Kriechmuskeln einer Raupe lahm legen, wenn das Insekt bereit ist, zum Falter zu werden, und dazu beitragen, weibliche Genitalien einzuschmelzen, wenn das Tier ein Männchen werden soll. .
Diese Entdeckungen könnten zu neuen Ansätzen bei der Behandlung pathologischer Formen von Zelltod beitragen, mit denen wir es bei Alzheimer-Patienten oder Menschen mit Parkinson, amyotrophischer Lateralsklerose und anderen neurodegenerativen Krankheiten zu tun haben. Wenn wir die Gene verstehen, die für den Zelltod verantwortlich sind, liefert uns dies vielleicht auch Hinweise darauf, was passiert, wenn diese Gene versagen und die Zelle sich einen Mantel der Unsterblichkeit überstreift, wie es für Tumorzellen typisch ist. Ein genaues Verständnis vom Sterben einer einzelnen Zelle gibt uns möglicherweise Aufschluss darüber, warum der ganze Mensch - Sie, ich und jeder in unserem Umkreis - letztlich sterben muss.
Zu ihrer Überraschung haben die Wissenschaftler festgestellt, dass der Tod einer Zelle in vielen Fällen alles andere·als eine chaotische Feuersbrunst ist, wie man dies lange Zeit gemutmaßt hatte. Vielmehr ist er ein sorgfältig aufeinander abgestimmtes genetisches Programm - ähnlich dem, das eine unreife Zelle zu einem funktionstüchtigen Mitglied von Bauchspeicheldrüse oder Niere werden lässt. Es ist eine ziemlich große Herausforderung für eine Zelle, ihr Leben rasch und mit Stil auszuhauchen, und eine dem Untergang geweihte Zelle muss zuerst ein Dutzend oder mehr Gene aktivieren, um diese Leistung zu vollbringen. Es ist, als würde die Zelle sich sagen: »Ich werde jetzt sterben« und diesen Entschluss sodann in dezidierter, konzentrierter Weise in die Tat umsetzen. Das bedeutet nicht, dass der Akt des Zelltods in irgendeiner Weise gelassen verläuft. Ganz im Gegenteil: Eine apoptotische Zelle verabschiedet sich mit einem großen Knall, sie zerfällt abrupt und entlässt ihren Inhalt zur raschen Absorption ins Blut.
Mittlerweile sind die Wissenschaftler einhellig der Meinung, dass das Thema Zelltod eine höchst lebendige Angelegenheit ist. Geprägt hat den Begriff Apoptose Dr. Andrew Wylie von der Universität Edinburgh, der die Charakteristiken dieser Art von Zelltod erstmalig beschrieben und nach dem altgriechischen Begriff für »herabfallen« (in dem Sinn, wie Blätter von den Bäumen fallen) benannt hat. Inzwischen albern die Biologen allerdings herum, dass das Wort eigentlich mehr mit Haarausfall zu tun habe, denn die meisten männlichen Wissenschaftler auf diesem Gebiet scheinen einen Hang zur Glatzenbildung zu besitzen.
Die Entdeckung der Apoptose warf eine lang gehegte Vorstellung über Bord, der zufolge Zelltod eine einfache Angelegenheit sei: die Abwesenheit von Leben, das Ende des Informationsflusses - der zelluläre Verweigerungszustand eben. Und es entspricht schon der Wahrheit, dass in manchen Fällen - beispielsweise bei der Gewebedegeneration als Reaktion auf eine schwere Verletzung des Körpers - Zellen einfach anschwellen und sterben: wahllos, planlos, ohne ersichtliches Programm. Immunologen aber gefiel diese Erklärung nicht, sofern sie den Tod ihrer Lieblingszellen, der B-und T-Zellen des Immunsystems, betraf. Der Körper verbreitet diese Zellen routinemäßig zuhauf. Jede von ihnen ist maßgeschneidert, um ein jeweils etwas anders gestaltetes fremdes Protein anzugreifen. Die überwiegende Mehrzahl der Immunzellen aber - etwa fünfundneunzig bis achtundneunzig Prozent - erweisen sich als Saat des Bösen. Sie haben die Eigenschaft, körpereigene Organe anzugreifen oder ihrem Heimatorganismus etwas anderes Missliebiges zuzufügen, wenn sie am Leben blieben. Die Immunologen wussten, dass der Körper diese Zellen genauso rasch beseitigt, wie er sie herstellt, und sie begannen nach den Mördern zu fahnden - den Schlägertrupps des Körpers, die, wie man annahm, das Geschäft der Eliminierung unerwünschter Immunzellen erledigen müssen.
Auf der Suche nach der Tatwaffe stießen die Forscher jedoch auf einen Abschiedsbrief. Die üblen T-und B-Zellen wurden nicht umgebracht, sondern begingen Selbstmord. Bald darauf waren die Strophen
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