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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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zu können.
    In anderen Untersuchungen an Präriewühlmäusen haben Neurowissenschaftler von der University of Massachusetts in Amherst zeigen können, dass sich das elterliche Verhalten von Vätern durch die Injektion von Vasopressinblockern in Gehirnregionen, die reich sind an vasopressinsensitiven Zellen, massiv verstärken lässt: Sie hörten auf, blindlings über ihre Jungen hinwegzustolpern, pflegten deren Fell und trugen sie in einen sicheren Winkel.
    Doch die Wirkung von Vasopressin auf das Verhalten beschränkt sich nicht allein auf das Leben innerhalb der Kernfamilie. Bei Rattenmännchen - Wesen mit wenig Hang zur Paarbindung oder zur Jungenaufzucht - stimuliert Vasopressin das soziale Gedächtnis und sorgt auf diese Weise dafür, dass Männchen einander wieder erkennen. Ratten, denen man Vasopressinblocker verabreicht, erkennen alte Bekannte nicht mehr und beginnen jede Begegnung mit dem Beschnuppern des ganzen Körpers, eine Begutachtung, die normalerweise Neuankömmlingen vorbehalten ist.
    Welche Rolle Vasopressin in Bezug auf menschliches Verhalten spielt, verbleibt im Reich der Spekulation, doch manche psychiatrischen Störungen wie Autismus und Schizophrenie könnten möglicherweise die Folge einer verminderten Vasopressinproduktion sein. Vorläufige Studien zeigen, dass autistische Kinder über einen ungewöhnlich niedrigen Vasopressinspiegel im Blut verfügen, doch ob diese Messwerte die Hormonaktivität im Gehirn widerspiegeln, ist bislang nicht bekannt. Eine nahtlose Gefäßhülle um das Gehirn die so genannte Blut-Hirn-Schranke - sorgt für eine gewisse Trennung zwischen Körper und Gehirn, sodass Messwerte bezüglich der Hormonkonzentrationen im Blut nicht notwendigerweise den Hormonstatus der zentralen Schaltzentrale wiedergeben, und auch die Hormonaktivität ist bei beiden unter Umständen unterschiedlich. Wenn es dennoch gelingen sollte, irgendeine Möglichkeit zu entwickeln, wie sich Vasopressin durch die schützende Gefäßbarriere hindurch ins Gehirn transportieren ließe, könnte autistischen Patienten theoretisch geholfen werden, jene sozialen Bindungen einzugehen und zu festigen, die sie so beharrlich zu meiden scheinen. Ob Vasopressin sich je einsetzen lassen wird, um eine Generation sensibler, fürsorglicher Väter hervorzubringen, ist allerdings eine andere und eher etwas weit hergeholte Überlegung.
    Was Vasopressin für das männliche Geschlecht tut, scheint Oxytozin für das weibliche zur Vollendung zu bringen: Es fördert das Erblühen sozialer Bindungen. Hier wird auf der Vorteilsskala ein Punkt mehr gemacht, denn während Vasopressin bei den einen zur gleichen Zeit Zuneigung und feindseliges Verhalten auslöst, wird Oxytozin nun einzig mit so positiven sozialen Verhaltensweisen in Verbindung gebracht wie dem Drang, sich zu paaren und Jungtiere zu versorgen. Zudem scheint das weibliche Gehirn darauf programmiert zu sein, rasch und gründlich auf einen Oxytozinstoß zu reagieren. In neueren Untersuchungen an Ratten und Mäusen entdeckten die Wissenschaftler allerdings zu ihrer Verblüffung, dass die Freisetzung des Hormons im Gehirn während der Laktation, der Bildung und Ausschüttung von Muttermilch, beinahe augenblicklich dazu führt, dass sich das bindegewebige, gliale Versorgungsgewebe um die Nervenzellen zurückzieht - das entspricht dem ersten Schritt zur Bildung neuer synaptischer Verbindungen zwischen einzelnen Neuronen.
    Dass neuronale Strukturen so rasch reagieren können, lässt darauf schließen, dass das Gehirn sehr viel flexibler ist, als man je gedacht hatte.
    Auch unser eigenes Gehirn ist womöglich sehr viel leichter zu beeindrucken, als wir es gern wahrhaben möchten. In Untersuchungen, die, wie sie selbst zugibt, einigen sozialen Zündstoff bergen, hat Kerstin Uvnas-Möberg vom Stockholmer Karolinska-Institut herausgefunden, dass bei Persönlichkeitsbewertungen, in denen man Merkmale wie Angst und Aggression misst, die Werte von Frauen während und unmittelbar nach einer Schwangerschaft sich drastisch verändern. »Sobald sie schwanger werden, sind sie sehr viel ruhiger, den Gefühlen anderer Menschen und nonverbaler Kommunikation gegenüber sehr viel aufgeschlossener«, erklärt sie. »Im Bereich der sozialen Kompetenz und bei dem Bestreben, anderen zu gefallen, schneiden sie sehr viel besser ab.«
    Bei der Bestimmung der Oxytozinkonzentrationen im Blut vor und nach einer Schwangerschaft stellten sie und ihre Kollegen fest, dass die Frauen umso höhere Werte

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