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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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auf der Sensibilitätsskala erreichten, je steiler die Hormonkonzentration während der Schwangerschaft angestiegen war. Während der Stillzeit blieb der Oxytozinspiegel erhöht, und das Verhalten der Frauen schien, den Werten auf der Persönlichkeitsskala nach zu urteilen, unverändert zu sein.
    Die Forscher wissen noch nicht - und werden es in Anbetracht der Einschränkungen dessen, was man mit menschlichen Versuchspersonen anstellen kann, vielleicht auch nie wissen - , ob der Zusammenhang zwischen Oxytozin und einer ausgeglichenen Persönlichkeit kausal bedingt oder zufällig ist. Auch ist nicht klar, ob der vermeintliche Hormoneinfluss auf den Charakter über die Stillzeit hinaus anhält. Einige der Versuchspersonen der schwedischen Studie schienen auf ihr vorheriges Angstniveau zurückzufallen, nachdem ihr Milchfluss versiegt war. Andere berichteten über eine permanente Stimmungsänderung. Aus irgendeinem seltsamen Grund hatten sich bei ihnen Gelassenheit anstelle von Kratzbürstigkeit und Liebenswürdigkeit statt Argwohn manifestiert. Sie blieben ihnen auch dann erhalten, als sie keine Hormone mehr dafür verantwortlich machen konnten.

6.
Delfine auf Freiersfüßen:
brutal, listig und einfallsreich
     
     
    Wie Welpen, Pandas und kleine Kinder genießen Delfine eine beinahe grenzenlose Zuneigung. Sie scheinen auf die geringste Aufforderung mit Spiel und Herumtollerei zu reagieren, ihre Mundwinkel sind in einer Miene ewiger Fröhlichkeit arretiert, und ihr Verhalten lässt ebenso wie ihr sehr großes Gehirn eine Intelligenz vermuten, die an die des Menschen heranreicht - wenn sie nicht gar, wie manche Leute argumentieren würden, diese übersteigt.
    Auch bei näherem Hinsehen erweisen sich Delfine in der Tat als außerordentlich gescheit - aber nicht in jener lieblichen, utopisch-sozialen Art und Weise, wie sie sich der sentimentale Flipperophile vielleicht erhofft. Wissenschaftler, die viele tausend Stunden damit zugebracht haben, vor der australischen Küste das Verhalten von Tümmlern zu untersuchen, stellten fest, dass Männchen soziale Bündnisse schließen, die weit höher organisiert und um einiges zwielichtiger sind als alles, was man von anderen Tieren oder dem Menschen an Allianzen kennt. Bei diesen aalglatten Unterwasserpartnerschaften versichert sich eine Gruppe von Delfinen der Hilfe eines zweiten Teams, um gegen ein drittes anzugehen - ein vielschichtiger Schlachtplan, der beträchtliches Kalkül erfordert.
    Der Zweck dieser komplexen Bündnisse ist ein nicht eben sportlicher: Die Männchen vereinen sich mit ihren Konsorten, um rivalisierenden Banden fruchtbare Weibchen auszuspannen. Und wenn sie es erfolgreich fertig gebracht haben, ein Weibchen zu betören, bleiben sie in ihrer unzertrennlichen Männerrunde und vollführen eine Reihe von spektakulären und gleichzeitig bedrohlichen Kunststücken, um das Weibchen bei der Stange zu halten. Zwei bis drei Männchen kesseln die Dame springend und flossenschlagend ein, machen Purzelbäume und vollführen in vollkommener Synchronisation ihre Pirouetten. Sollte das Weibchen sich von der Choreografie so unbeeindruckt zeigen, dass es zu fliehen versucht, wird es von den Männchen gejagt und gebissen, mit den Flossen geschlagen oder mit dem ganzen Körper gerammt. Wissenschaftler nennen dieses Bestreben, das Weibchen zu kontrollieren, »bewachen«, geben jedoch zu, dass dieser Begriff die Aggressivität des Vorgehens verharmlost. Im Lauf der »Bewachung« wühlen Flossenschläge und das Zusammenprallen der Körper das Wasser wie bei einem Orkan auf, und oft geht das Weibchen mit tiefen Bisswunden aus der Begegnung hervor.
    Obwohl die Wissenschaft seit langem von der Intelligenz und dem komplexen SozialverhaIten der Tümmler beeindruckt war - der Große Tümmler wird häufig für Meeressäugershows im Zirkus eingesetzt, weil er so bereitwillig auf Anweisungen reagiert - , stellte der machiavellistische Touch der männlichen Strategien dennoch eine ziemliche Überraschung dar. Von vielen Primaten, darunter Schimpansen und Paviane, weiß man, dass sie sich zu Banden zusammenschließen, um rivalisierende Lager anzugreifen. Aber man hatte nie zuvor beobachtet, dass eine Gruppe eine zweite rekrutiert, um über eine dritte herzufallen. Nicht minder beeindruckend ist die Tatsache, dass diese Allianzen aus mehreren Parteien bei Delfinen flexibel zu sein scheinen und sich je nach Bedarf von einem Tag auf den nächsten ändern können - je nachdem, was für die

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