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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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Delfine anliegt, ob die eine Gruppe der anderen einen Gefallen schuldet und was ihrer Ansicht nach zulässig ist und was nicht. Delfine scheinen im höchsten Grad opportunistische Wesen zu sein, was bedeutet, dass jedes Tier ständig neu einschätzen muss, wer Freund und wer Feind ist.
    Um männliche Übergriffe abzuwehren, tun sich die Delfinweibchen ebenfalls zu hoch organisierten Bündnissen zusammen. Manchmal verfolgt die Schwesternschaft sogar ein männliches Konsortium, das eine der ihren aus ihrer Mitte entführt hat. Mehr noch als das scheinen die Weibchen so etwas wie eine Auswahl unter den Männchen zu betreiben, die Weibchen zu entführen versuchen: Manchmal schwimmen die Weibchen scheinbar zufrieden mit den Männchen Seite an Seite; bei anderer Gelegenheit versuchen sie verzweifelt, zu entkommen, was ihnen nicht selten gelingt. Im Prinzip könnte die Notwendigkeit, lockere und zweckmäßige soziale Bündnisse und Gegenbündnisse einzugehen, eine treibende Kraft bei der Evolution der Intelligenz unter Delfinen gewesen sein.
    Bevor es jetzt so aussieht, als sei ein Delfin nichts weiter als ein Bandit mit Flossen und einem Blasloch, beeilen sich die Biologen zu betonen, dass er im Allgemeinen ein bemerkenswert gutmütiges und freundliches Tier ist, um Klassen friedfertiger als ein Leopard oder gar ein Schimpanse. Die meisten der dreißig Delfin-und Kleinwal-Arten leben extrem sozial, schließen sich zu Schulen von mehreren hundert Tieren zusammen, die von Zeit zu Zeit in kleinere Clans zerfallen und sich dann wieder aufs Neue vereinigen. Ihre Geselligkeit scheint ihnen unter anderem dabei zu helfen, Haien zu entkommen und effizienter nach Fischen zu jagen.
    Arten wie der Große Tümmler und der Spinnerdelfin fällen die meisten ihrer Entscheidungen demokratisch. Sie verbringen Stunden damit, in einer geschützten Bucht eng aneinander geschmiegt vor sich hin zu dümpeln, wobei sie eine gespenstische nautische Symphonie aus Quieken und Pfiffen, Keckern und Kläffen, Schnalzen und Kichern erklingen lassen. Die Geräusche werden immer lauter, bis sie eine Stärke erreichen, die allem Anschein nach besagt, dass die Meinungsbildung einmütig abgeschlossen wurde und es an der Zeit ist, aktiv zu werden - zum Fischen loszuziehen vielleicht. »Wenn sie ihre Entscheidungen koordinieren, so ist das wie ein Orchester, das sich einstimmt. Der Klang wird immer leidenschaftlicher und rhythmischer«, erklärt Dr. Kenneth Norris, ein führender Delfinforscher. »Demokratie braucht Zeit, und sie verbringen tagtäglich viele Stunden damit, Entscheidungen zu fällen.«
    So außerordentlich ihre Musik auch ist, Delfine verfügen nicht über das, was man mit Recht als komplexe Sprache bezeichnen könnte, will sagen, eine Sprache, in der ein Tier unmissverständlich zu einem anderen sagen könnte: »Komm, lass uns fischen gehen.« Aber die Lautäußerungen sind auch nicht rein zufällig. Jeder Tümmler verfügt beispielsweise über sein eigenes Rufzeichen - einen Kennpfiff, der für das betreffende Wesen charakteristisch ist. Ein solcher Pfiff wird im Körperinneren gebildet und klingt eher wie ein Radiosignal denn wie ein menschlicher Pfiff. Die Mutter lehrt ihr Kalb, wie sein Kennpfiff lauten wird, indem sie diesen ein ums andere Mal wiederholt. Das Kalb prägt sich den Pfiff ein und stößt ihn von Zeit zu Zeit quiekend aus, als wolle es seine Anwesenheit kundtun. Gelegentlich ahmt ein Delfin den Pfiff eines Artgenossen nach, das heißt, er ruft ihn im Prinzip beim Namen.
    Doch Delfinforscher warnen davor, Delfine himmelhoch über die Niederungen des Säugetierdaseins hinauszuheben. »Wer sich je mit Delfinforschung beschäftigt hat, hat die Nase voll von Delfinliebhabern, die glauben, diese Geschöpfe seien schwimmende Hobbits«, erklärt ein Delfintrainer und Wissenschaftler. »Ein Delfin ist ein sozial lebendes Säugetier, und so verhält es sich auch, und manchmal tut es Dinge, die wir nicht sehr entzückend finden.«
    Besonders uncharmant werden Delfine, wenn sie vorhaben, sich zu paaren, oder eben dieses vermeiden wollen. Tümmlerweibchen bringen nur alle vier bis fünf Jahre ein einzelnes Junges zur Welt. Ein fruchtbares Weibchen ist somit eine heiß begehrte Rarität. Da es zwischen den Geschlechtern so gut wie keinen Größenunterschied gibt, kann ein einzelnes Weibchen nicht von einem einsamen Männchen zur Paarung gezwungen werden. Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, dass Männchen sich zu Banden

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