Schön scheußlich
Integration eines Virus in den Wirtsorganismus zu tun hat, und man untersuchte die molekulare Sippschaft genau daraufhin, welches Molekül die DNS wie und zu welchem Zweck verbiegen kann. Einige der Proteine haben spezielle DNS-Sequenzen zum Ziel, die sie dann ausgiebig deformieren. Andere sind heimtückischer und verdrehen so ziemlich jedes Chromosomenfleckchen, auf dem sie landen können.
Im Großen und Ganzen gibt es zwei Überlegungen, die erklären, warum Knicke und Verformungen eine so dramatische Wirkung auf die DNS haben. Zum einen ist das Anschalten eines beliebigen Gens und dessen Übersetzung in ein frisch gebackenes Protein eine komplexe Sache - nichts, was mit einem einzigen Ein/Aus-Schalter zu bewerkstelligen wäre. Vor dem Gen ist eine Reihe von genetischen Sequenzen am Zug, die es den einzelnen Bestandteilen der zellulären Proteinmanufaktur ermöglichen, sich an die DNS zu heften und mit einer bestimmten Geschwindigkeit und Einsatzkraft zu arbeiten. Diese Instruktionen sind oft viele hundert oder tausend Basen voneinander getrennt, und die Wissenschaft ist heute der Ansicht, dass die DNS gefaltet und in sich verschlungen wird, um Ordnung in die anderweitig sinnlosen Wörter zu bringen.
Manchmal muss DNS auch verbogen werden, um den Kontakt zwischen Proteinen zu ermöglichen, die auf der Doppelhelix festgewurzelt sind wie Seepocken auf einem Walrücken. Vielfach müssen diese Proteine mit Partnern in Kontakt treten, bevor sie ihre Aufgaben erfüllen können: dem DNS-Molekül zuarbeiten, unweigerlich entstehende Fehler ausbessern, es vor einer Zellteilung zu einem kompletten neuen Strang replizieren oder auch Dinge erledigen, die mit der Wartung der DNS nicht das Geringste zu tun haben. In solchen Fällen zwingen DNS-knickende Proteine die DNS mit Gewalt in eine Form, in der sich verschiedene Proteine begegnen können, und die illustre Doppelhelix verkommt unversehens zu einer Transportmaschine cl la Rube Goldberg, mit dessen Hilfe sich zwei Proteine vereinigen lassen. Ein Biologe verglich das Ganze mit einer Computerdiskette. Normalerweise versorgt die Diskette - die DNS - den Computer mit Anweisungen; sie ist die Software der Zelle. Wenn Sie die Diskette jedoch beispielsweise unter ein Tischbein legen, um Ihren Tisch am Wackeln zu hindern, dann fungiert diese Software für den Moment als Hardware.
Wenn sie DNS beliebig knicken und verbiegen, dann tun die Proteine das natürlich nicht direkt so, dass sie sie in die Hand nehmen und ihnen einen Dreh verpassen. Vielmehr verursachen sie eine Einbuchtung in der linearen DNS-Strukturvergleichbar Kegelkugeln, die man auf ein Trampolin wirft.
Sind diese gestalterischen Proteine schon in den relativ einfachen Bakterienzellen, in denen man sie erstmals identifiziert hat, von entscheidender Bedeutung, so ist ihre Wichtigkeit für die so genannten Eukaryontenzellen, aus denen höhere Lebewesen wie unsereiner bestehen, erst recht nicht zu übersehen. Das hat damit zu tun, dass die DNS höherer Organismen in und um Proteinschutzhüllen verpackt ist man denke hier an die Histone - , die zuerst recht energisch zur Seite gedrängt werden müssen, damit die Gene eine Lebensäußerung tun können. Unsere biegenden und knickenden Proteine scheinen mit den Histonen um das Privileg zu ringen, sich der DNS zu bemächtigen. Doch im Unterschied zu den Histonen, die die Gene fest unter Verschluss halten, drängen die Proteine sie, aktiv zu werden.
Außerdem geht die delikate Aussteuerung der Genkontrolle in tierischen Zellen weit über die bei Bakterien hinaus. Es gibt Kontrollen, die die Kontrollen der Kontrollen kontrollieren, Kontrollen, die Gene im Zaum halten: Transkriptionsfaktoren, Verstärker, Promotoren - ein wimmelndes Panoptikum von Schaltern und Modulatoren, die uns zu dem machen, was wir sind, ohne dass wir auch nur einen Gedanken daran verschwenden müssen. Das fortdauernde Herumbiegen an der DNS ist für die Natur vielleicht die einfachste Möglichkeit, ihre ruhelose Fauna in Reih und Glied zu halten.
14.
Blaupausen für einen Embryo
Wie jeder eifrige Konsument der Science-Fiction-Serie Star Trek weiß, haben die dort porträtierten Außerirdischen - so weit entfernt ihre Heimat theoretisch auch liegen mag durchweg ein beruhigend vertrautes Aussehen. Ihre Körper sind in der Hauptsache in zwei Zonen unterteilt: Kopf und Rumpf. Sie verfügen über Augen, Ohren, Mund und Nase, wenn diese auch auf verschiedenste Weise zurechtgekittet sein mögen. Sie
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