Schön scheußlich
fressen, dass sie dreißig Prozent zusätzliches Körperfett einlagern, genug, um sich durch die elf Monate des Schlafes zu bringen.
Mehrere hundert Säugetierarten halten jeden Winter ihren Winterschlaf und schränken in dieser Zeit ihre Energieausgaben massiv ein, indem sie ihre Stoffwechselrate drastisch herunterschrauben. Wenn ein Ziesel seinen Winterschlaf hält, schlägt sein Herz nur noch ein bis zwei Mal pro . Minute, und seine Körpertemperatur sinkt bis nahe an den Gefrierpunkt. Für Pflanzenfresser ist der Winterschlaf eine sinnvolle Einrichtung: Es gibt nichts zu fressen, das Wetter ist miserabel, Fortpflanzung wenig ratsam, und außerdem streunen noch immer Räuber herum. Das Beste, was man tun kann, ist, in eine Art Scheintod zu verfallen.
Manchmal steht ein Biologe ratlos vor einem Fall von offenkundiger Trägheit, die sich durch so augenfällige Dinge wie schlechtes Wetter nicht erklären lässt. Wissenschaftler, die sich mit dem Nacktmull, einem häuslichen, haarlosen, blinden, sozial lebenden kleinen Säugetier beschäftigen, das sein ganzes Leben unter Tage verbringt, fragten sich lange, warum die größten Tiere der Gruppe am wenigsten zu tun und am meisten zu schlafen schienen. Die Antwort erhielten sie, als sie eines Tages eine Schlange in die Kolonie in ihrem Labor setzten. Die großen Nacktmulle sprangen sofort auf und fielen gemeinsam über die Schlange her. Sie hatten nur scheinbar geschlafen und in Wirklichkeit in aller Stille Wache gehalten.
Die Notwendigkeit, sich mit verlässlichen Wachen zu schützen, erklärt möglicherweise auch, weshalb Bienen und Ameisen so viel Zeit ruhend verbringen. Termiten verfügen über eine so genannte Soldatenkaste, eine stehende Armee aus Arbeiterinnen, die in und um den Bau so gut wie nichts tun, aber die Ersten sind, die sich rühren, wenn dem Staat Gefahr droht. Bei Bienen und Ameisen sparen etliche Individuen ihre Energie womöglich für eine besondere Aufgabe auf - die Entdeckung einer ergiebigen neuen Nahrungsquelle zum Beispiel, zu deren Erschließung es etlicher Überstunden bedarf, oder eine vorübergehende Spaltung des Staates, durch die für dieselbe Menge an Aufgaben plötzlich weniger Arbeiterinnen zur Verfügung stehen.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass sozial lebende Insekten es sich nicht leisten können, ihre Energien für nebensächliche Aktivitäten zu verschwenden. Ameisen und Bienen gleichen nicht aufladbaren Batterien. Sie werden mit einer festgelegten Menge an Energie geboren, die sie ihrer Ko lonie zur Verfügung stellen können. Sie können diese Energie rasch verbrauchen, oder sie können sie langsam verbrauchen, aber sie können sie nicht vermehren, indem sie sich richtig ernähren oder regelmäßig Sport treiben. Mit anderen Worten: Je härter sie arbeiten, desto rascher sterben sie. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf versteht man das Bedürfnis einer Biene, einen Augenblick Pause zu machen und einmal nicht an den Blumen zu schnuppern.
Und vielleicht lässt sich nun auch jener so verkannten Kreatur ein bisschen gerecht werden, die die Faulheit in seinem Namen trägt: dem Faultier. In ganz Mittel-und Südamerika hängen die Faultiere mit ihren langen, biegsamen Gliedmaßen träge in den Bäumen, schlafen fünfzehn Stunden am Tag und bewegen sich so selten, dass sich in ihrem Pelz und zwischen ihren Klauen zwei Arten von Algen angesiedelt haben. Ein neugeborenes Faultier sitzt auf dem Bauch seiner Mutter und ist jeder Bewegung derart abhold, dass es seinen Kot und seinen Urin auf das Fell seiner Mutter entleert, und diese bemüht sich nur gelegentlich darum, es zu reinigen. Doch bevor Sie solche Trägheit nun als abartig verdammen, sollten Sie bedenken, dass das Faultier an seine Nische angepasst ist. Durch seine langsamen Bewegungen bleibt es für die Augen von Räubern bemerkenswert unauffällig. Und sein Pflanzenbewuchs trägt zu seiner Tarnung sogar noch bei. Durch das grünlich blaue Schimmern der Algen im Sonnenlicht ähnelt das Faultier zum Verwechseln einer grünen Hängepflanze, die es im Übrigen ja beinahe schon ist.
Menschen verbringen in der Regel mehr Zeit bei der Arbeit als jede andere Kreatur, doch zwischen menschlichen Kulturen bestehen bemerkenswerte Unterschiede bezüglich der Betriebsamkeit. Der französische Durchschnittsarbeiter schuftet 1646 Stunden pro Jahr, der durchschnittliche Amerikaner 1957 und der durchschnittliche Japaner 2088.
Einer der Gründe für den menschlichen Fleiß ist die Tatsache,
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