Schön scheußlich
Begegnung mit etwas, das sie zunächst als »Grünschleimkrankheit« bezeichnete. Zu Beginn ihrer Beobachtungen an Dickhäutern fiel ihr auf, dass alle männlichen Elefanten der von ihr beobachteten Herde auf ihrer Haut, vor allem aber in der Umgebung ihres Penis einen grünen Schleim absonderten. Ihr definitiver Abscheu vor der vermeintlich krankhaften klebrigen Absonderung veranlasste sie zu der Annahme, dass auch die Elefantenkühe ihre verschmierten Genossen unattraktiv finden müssten. Doch im weiteren Fortgang ihrer Studien fand sie heraus, dass der Schleim zum Brunftverhalten der Elefanten gehört und von den Weibchen vielmehr als überaus attraktiv empfunden wird. Nicht minder haarsträubend ist, wenn übertriebener Anthropomorphismus zu unangemessener Tierpflege führt, beispielsweise dazu, dass Rattenkäfige aseptisch sauber gehalten werden, obwohl Ratten in Wirklichkeit daran gewöhnt sind, eine reiche Auswahl an Düften zu schnuppern.
Neben alledem wirft die Anthropomorphismus-Debatte unter den einzelnen Streitern auch eine gewisse Form von »Speziesismus« auf: Jeder verteidigt das von ihm untersuchte Tier als das klügste, höchst entwickelte und damit als das der Vermenschlichung am ehesten würdige Geschöpf. Bei ihren Angriffen auf Kennedy offenbarten einige Anthropomorphisten ihren Anthropozentrismus, beispielsweise mit der spöttischen Bemerkung, seine Haltung entspreche genau dem, was man von einem Insektenforscher erwarten würde, der sein ganzes Leben mit dem Studium niederer (das heißt, nicht menschlicher) Blattläuse zugebracht habe. Primatologen stehen auf dem Standpunkt, dass es absolut sinnvoll sei, Ähnlichkeiten zwischen dem Verhalten von Schimpansen und unseren eigenen Dummheiten zu suchen, denn schließlich hätten beide Arten mindestens achtundneunzig Prozent ihrer DNS gemein. Doch auch diejenigen, die Tiere untersuchen, die mit uns weit weniger eng verwandt sind, bestehen darauf, dass ihre Geschöpfe ein ausgeprägtes Sozialverhalten, gepaart mit Bewusstsein und Intelligenz besitzen. Von Schafen wird allgemein angenommen, dass es in ihrem Gehirn genauso trübe aussieht, wie man es von einem sprichwörtlichen Schafskopf erwartet. Doch Biologen, die sich mit Schafen befassen, haben bei ihren Tieren ein überaus komplexes Sozialverhalten beobachtet, das bis hin zu Gesten der Versöhnung nach einer Auseinandersetzung geht oder zum Einstehen für ein Mitschaf, das von der Herde angegriffen wird.
Die Diskussion über die Beziehung des Menschen zum Tierreich ist natürlich nicht neu. Die christlich-jüdische Tradition schrieb dem Menschen eine Position in Gottesnähe und die Herrschaft über die Tierwelt zu. Tiere können, so die landläufige Meinung, nicht denken, und damit können sie nach Rene Descartes im Grunde auch nicht über ein Sein verfügen - und ganz sicher haben sie nichts mit dem vernunftbegabten Menschen gemein. Trotzdem haben Menschen die Wesen um sie herum immer vermenschlicht, insbesondere Tiere, die sie gern hatten. Als Charles Darwin seine Theorien über die natürliche Selektion und die Abstammung des Menschen formulierte, musste er feststellen, dass sein Publikum im neunzehnten Jahrhundert die Vorstellung zutiefst ablehnte, es könnte mit Affen verwandt sein. Und tatsächlich war das Geschöpf, das er selbst in seinen Schriften als dem Menschen am ähnlichsten schilderte, der Hund.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts verbreitete sich eine Denkrichtung, die man als Behaviorismus bezeichnet und der zufolge es keinerlei Anlass gibt, einem Tier ein psychologisches Innenleben zuzubilligen, weil alle Aktivitäten sich ohne jedweden Bezug auf Emotionen oder Motive objektiv als das beschreiben lassen, was sie sind. (Die Psychologen versuchten, ähnlich mechanistische Prinzipien sogar auf Verhaltensanalysen am Menschen anzuwenden.) In den siebziger Jahren begann jedoch Donald Griffin, der Entdecker des Echolots bei Fledermäusen, die Behauptung, Tieren gehe ein Bewusstsein ab, in Frage zu stellen. Die Deiche des strengen Behaviorismus zeigten daraufhin erste Risse. Zur selben Zeit trat die nassforsche Schule der Soziobiologie auf den Plan, die für eine schier endlose Skala komplexer sozialer Verhaltensweisen rein evolutionär bedingte Motive forderte. Plötzlich schien es möglich zu sein, dass Tiere planen, sich verschwören und Manöver durchführen - und all das nur, um ihr genetisches Erbe weitergeben zu können.
Inzwischen kreist die Debatte um die Frage, bis zu
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