Schön scheußlich
welchem Grad Tiere sich dessen bewusst sind, was sie tun, beziehungsweise darum, bis zu welchem Grad dies die Wissenschaft zu interessieren hat. Manche Behavioristen kritisieren an der Auseinandersetzung mit den Anthropomorphisten, dass die wissenschaftlichen Techniken zur Untersuchung von Gehirnfunktionen viel zu primitiv sind, um mit ihnen die Frage nach tierischen Intentionen anzugehen. Wenn uns ein Tier nicht sagen kann, was es zu tun vorhat, und wenn es keine Methode gibt, diese Absicht in irgendeiner anderen Weise sichtbar zu machen, welchen Beweis haben wir dann dafür, dass die Absicht tatsächlich vorliegt? Wenn man über zielgerichtetes Handeln bei Tieren redet, als gehöre dies in das Reich der Wissenschaft, so bemängeln sie, spannen wir nicht nur den Karren vor das Pferd, sondern wir tun auch noch so, als geschehe dies auf Geheiß des Pferdes.
Die Kritiker gestehen zu, dass es für einen Verhaltensforscher so gut wie unmöglich ist, keine enge Beziehung zu dem von ihm untersuchten Tier zu entwickeln. Doch wenn ein guter Wissenschaftler seine Ergebnisse zur breiteren Verwendung präsentiert, wird er sie von aller Subjektivität zu befreien suchen und sich an solide Daten und deren möglichst unparteiische Auswertung halten. Außerdem, so wenden sie ein, verstößt die Annahme, dass ein Tier sich seines Verhaltens gewärtig ist, gegen ein Hauptprinzip der Wissenschaft, das besagt, dass man für jede Beobachtung stets die einfachste Erklärung zu suchen hat. Und die einfachste Annahme ist, dass die meisten Verhaltensweisen weder Bewusstsein noch tierische Emotionen, noch strategische Planung voraussetzen. Denn schließlich, so bemerkte man bereits vor einem halben Jahrhundert, sehen Mikroben, die man auf die Größe einer Katze oder eines Hundes aufbläst, ebenfalls aus, als würden sie über Wünsche, Gefühle und Intelligenz verfügen, so durchdacht wirkt ihr Verhalten, wenn sie auf einen Tropfen Zuckerwasser zu-oder von einer schädlichen Substanz weggleiten.
In Reaktion darauf erklären nun wieder die Anthropomorphisten, dass sie diejenigen sind, die die einfachsten, saubersten und sinnvollsten Annahmen über Tiere formulieren, und dass es die Anthro-Chauvinisten sind, die sich zur Wahrung menschlicher Exklusivität immer wieder in unhaltbare Situationen manövrieren. Vor Jahren hätten die Chauvinisten den Standpunkt vertreten, dass allein Menschen Werkzeuge verwenden. Dann entdeckte man, dass manche Tiere wie Schimpansen und Elefanten Stöcke, Steine und andere Gegenstände als Werkzeuge benutzen. Also sagten die Neinsager, nur Menschen seien imstande, das verwendete Werkzeug zu wechseln. Dann, stellte man fest, dass Schimpansen ihre Stöcke jeweils danach auswählen, was sie mit ihren Geräten zu tun haben. Das neueste Argument lautet, dass nur Menschen Werkzeuge verwenden, um Werkzeuge herzustellen. Und so dreht und windet sich die Definition dessen, was unserer Ansicht nach zum Menschsein unerlässlich ist, angesichts sich wandelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse unablässig weiter, und muss sich immer wieder neu anpassen. Das Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein, ist schließlich trotz alledem nur allzu menschlich.
V.
Heilen
28.
Eine neue Theorie der Menstruation
Die menstruierende Frau wurde auf die verschiedenste Weise geschmäht, gefürchtet, bemitleidet oder aus ihrer Gemeinschaft verbannt, auf dass sie ihre »unreinen« Tage in Einsamkeit verbringe. Eine Frau blutet einmal im Monat, so die Legende, um sich ihrer unbefruchteten Eizellen und gleichzeitig der Gebärmutterschleimhaut zu entledigen, die in optimistischer Erwartung eines Babys, zu dem es nie kommen sollte, herangemästet worden ist. Bleibt der Leib leer, muss die Gebärmutter weinen.
Also gut, ihr Frauen, freut euch, denn ihr habt nichts zu verlieren - es sei denn eure Schande. Eine Evolutionsbiologin fordert jedoch eine radikal neue Sichtweise der Menstruation. Eine Perspektive, die dem schmutzigen Geschäft mit der Periode eine aktive und heilsame Note verleiht. Margie Profet von der University of Washington, eine Bilderstürmerin der alten Schule, ist der Ansicht, dass sich die Menstruation im Verlauf der Evolution zum Wohl der Frau entwickelt hat, und zwar als Mechanismus zum Schutz von Gebärmutter und Eierstöcken gegen schädliche Mikroben, die vom eindringenden Sperma mitgebracht werden.
Dieser Lesart zufolge ist die Gebärmutter extrem verwundbar durch Bakterien und Viren, die möglicherweise
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