Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
Vom Netzwerk:
Reihe von Gynäkologen hat diese Theorie angegriffen - manche, weil sie ihnen zu neuartig erscheint, um sich mit ihr wohl fühlen zu können, andere, weil sie sagen, dass die von ihnen behandelten Frauen während der Regel im Gegenteil infektionsanfälliger sind und eben gerade nicht vor Krankheit gefeit. Margie Profet antwortet darauf, (a) dass der Augenblick der Periode nicht notwendigerweise eine Zeit erhöhter Resistenz ist, sondern nur die Ausmerzung von in der Vergangenheit angesammelten Keimen bedeutet, und dass (b) kein Immunmechanismus des Körpers perfekt ist und die Ärzte es in erster Linie mit Patientinnen zu tun haben, deren angeborene Verteidigungsmechanismen versagten.
    Die Urheberin der Theorie lebt und denkt außerhalb der Normen. Eine wichtige Anerkennung erhielt sie im Jahr 1993. Damals wurde ihr im Alter von fünfunddreißig Jahren der Mac-Arthur-Award - der »Geniepreis« - verliehen. Abgesehen davon wurden ihr jedoch nicht allzu viele der traditionellen Anerkennungen zuteil. Sie unterzog sich nie der Mühe zu promovieren, weil sie dies für reine Zeitverschwendung hielt und als potenziellen Dämpfer für die eigene Kreativität sah. Stattdessen publizierte sie unorthodoxe Theorien über die Evolution von Alltagsphänomenen, die von Wissenschaftlern und Ärzten in der Regel ignoriert werden. So hat sie beispielsweise die Vermutung geäußert, dass die morgendliche Übelkeit, herkömmlicherweise als zufälliger Nebenaspekt der Schwangerschaft betrachtet, in Wirklichkeit entstanden sei, um Frauen während der Zeit, in der der Fetus durch aufgenommene Giftstoffe besonders verwundbar ist, davor zu bewahren, Gemüse und andere Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die reich an natürlichen Toxinen sind. Sie hat auch die Überlegung geäußert, dass die Allergien, an denen manche Menschen zu leiden haben, ein Mechanismus sein könnten, durch den der Organismus sich selbst vor Substanzen pflanzlicher Herkunft schützt, die seine Zellen schädigen könnten, wenn sie nicht durch Husten oder Niesen aus dem System entfernt werden.
    Zum ersten Mal nachgedacht hat Margie Profet über das Problem der Menstruation, als sie etwa sieben Jahre alt war und von ihrer Schwester darüber aufgeklärt wurde. »Ich empfand nur Abscheu, denn es ergab keinen Sinn und schien mir so ungemein unrentabel«, berichtet sie. »Warum die ganze Mühe auf sich nehmen und eine so komplizierte Zellschicht produzieren, nur um sie anschließend abzustoßen? Ich dachte, Gott müsse uns wirklich hassen, dass er uns mit etwas so Lächerlichem belastet.« Als sie älter wurde, empfand sie die Erklärungen der Kliniker zum Thema Menstruation als überaus unbefriedigend, und die medizinische Sicht der Periode als unseliges und möglicherweise unnötiges Nebenprodukt des hormonellen Zyklus irritierte sie, denn für diese Theorien gab es, soweit sie es überblicken konnte, keinerlei Beweise.
    So wie sich die Struktur des Benzols seinem Entdecker im Traum als Zirkel aus lauter Schlangen darstellte, die sich selbst in den Schwanz bissen, leistete auch Margie Profet den fantasievollsten Teil ihres theoretischen Ansatzes im Schlaf. Eines Nachts träumte sie von schwarzen Dreiecken, die tief in rotem Gewebe steckten, und als sie aufwachte, realisierte sie, dass die Dreiecke pathogene Keime repräsentierten, und der scharlachrote Hintergrund für die blutende Gebärmutter stand.
    Beträchtlicher Forschungsaufwand belieferte Profet mit Beweisen unterschiedlichster Art, die allesamt zur Unterstützung ihrer Theorie beitrugen. Als Erstes hatte sie nach Hinweisen darauf gesucht, dass die Menstruation eine Anpassung ist - etwas, das sich im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel entwickelt hat - und sie nicht nur ein Nebeneffekt schwankender Hormonkonzentrationen ist. Aus physiologischen Untersuchungen lernte sie, dass es spezielle Blutgefäße gibt, die so genannten Spiralarterien, die die Uterusschleimhaut durchziehen und offenbar den Ablauf der Menstruation dirigieren, indem sie sich zunächst fest zusammenziehen und danach rasch erweitern. Der Verschluss der Arterien lässt das Gewebe an Blutmangel zugrunde gehen. Das erneute Öffnen lässt einen Schwall von Blut einströmen, der das frisch nekrotisierte Gewebe davonträgt. Dem Menstruationsblut fehlt es überdies an Stoffen, die andernorts im Körper das Blut beim Kontakt mit Luft gerinnen lassen.
    Angesichts der Hinweise auf ein »Anpassungsdesign« entwickelte Margie Profet ihre eigene Theorie zu der Frage,

Weitere Kostenlose Bücher