Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Freunde meines Großvaters waren durchaus differenziert und interessant für mich. Herr Karoly erwähnte zum Beispiel, dass er gestern ein Gespräch am Nebentisch unfreiwillig mitgehört hätte.
„Er kann’s nicht lassen. Diese ehemaligen Geheimdienstler müssen eben immer spionieren“, scherzte Marek.
Georg Haas erzählte mir, dass hin und wieder Polizisten vom Wachzimmer in der Schönbrunner Straße bei ihm zum Mittagsmenü erschienen. „Als sich das Kommissariat noch in der Wehrgasse befand, kamen die Beamten fast täglich zu mir essen. Bis heute besuchen mich manche von ihnen, obwohl sie längst in Pension sind.“
Herr Karoly verriet mir, dass die Polizei beim ersten Mord ursprünglich einen Freigänger vom Mittersteig verdächtigt hätte. „Dieser Psychopath hat seinen Mordopfern immer die Eingeweide entfernt, was ja bei den jetzigen Frauenleichen nicht der Fall gewesen ist, deshalb haben sie diesen Verdacht wieder aufgegeben. Die Ermittlungen konzentrieren sich nun auf einen Transvestiten, der vor ein paar Tagen spurlos verschwunden ist. Er hat die Leiche im Bacherpark gefunden und die Polizei gerufen.“ Mir wurde erst nach ein paar Minuten bewusst, dass von Orlando die Rede war.
Als die alten Männer über den Tod zu philosophieren begannen, ging ich kurz raus auf die Margaretenstraße und rief meinen neuen Mitbewohner an. Sagte ihm, dass ihn die Kriminalpolizei suche und er die Wohnung ja nicht verlassen solle.
Als ich an den Stammtisch zurückkehrte, waren die Männer in ihrem Element.
„Der Tod einer schönen Frau ist wahrlich das poetischste Thema der Welt, behauptete zumindest der Dichter des Schreckens“, dozierte Marek.
„Er meint Edgar Allan Poe“, sagte Horvath.
„Es gibt Menschen, die allein um des Bösen willen böse sind. Ihr könnt ruhig skeptisch schauen. Ich glaube an das Böse …“, sagte Karoly.
„Geh, hör schon auf, du erschreckst unsere kleine Katharina. Er hat eine Obsession für Tod und Verbrechen. Hör ihm einfach nicht zu …“, sagte Marek zu mir.
„Genug debattiert, jetzt wird gegessen. Ich würde dir die gerösteten Nierndln empfehlen“, sagte Georg Haas.
Da ich auf die Kochkünste von Frau Gitti, der Küchenchefin des Haasbeisl, voll vertraute, nahm ich seinen Vorschlag an. Als mein Essen kam, sagte Georg Haas: „Gell, du und die Angela Bischof seid dabei gewesen, als es am Montag in der Früh am Margaretenplatz gebrannt hat?“
Ich nickte und fragte erst gar nicht, woher er das wusste. Nirgends wurde so viel getratscht wie in den Wiener Beisln.
„Mein Vater hat euch gesehen, als er in aller Herrgottsfrüh die Mistkübel rausgestellt hat“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage.
„Vielleicht war’s gar derselbe, der damals Mitte der 90er-Jahre die alte Fabrik im Hundsturmviertel abgefackelt hat?“, fragte Pospischil. „Ich erinnere mich noch gut an diese Geschichte. Der Brandstifter war der Sohn eines Wiener Feuerwehrmanns – typisch, oder?“
„Dieses Haus am Margaretenplatz gehörte früher der tschechoslowakischen Sozialdemokratischen Partei. Anfang der 70er-Jahre verkauften es die Tschechen, behielten aber den historischen Sitzungssaal, der jetzt auch durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen worden ist“, mischte sich Karoly ein.
„Was willst du damit andeuten? Glaubst du leicht gar, dass diese Gasexplosion ein politisches Attentat war? Ihr Geheimdienstler habt echt einen Verfolgungswahn! Wer interessiert sich denn in Zeiten wie diesen noch für tschechische Sozialdemokraten? Völlig absurd“, ereiferte sich der Pospischil.
Die anderen Männer an meinem Tisch wollten nun von mir mehr über diese Gasexplosion wissen. Bald schon unterbrachen sie mich aber und kamen auf die Bischofs zu sprechen.
„Die Angela ist eine arme Haut. Sie trainiert fast täglich in dem neuen Fitnessstudio. Aber jünger wird sie deshalb auch nimmer“, sagte Marek.
„Sie hat halt Probleme mit dem Älterwerden. Hat unsereins ja auch. Außerdem hat der Doktor sie wegen einer 28 Jahre Jüngeren verlassen“, warf Horvath ein.
„Wegen dieser schönen Russin?“, fragte Marek grinsend.
„Genau. Angeblich hat er diese tolle Frau in einem der Lokale vom Gergely kennengelernt.“
„Das stimmt nicht. Was du schon wieder daherredest. Die andere, die vom Würstelstand am Margaretengürtel, hat die zwei miteinander bekannt gemacht. Die beiden Mädels haben sich die Männer einfach weitergereicht. Vorher hat diese Ilona ein Gspusi mit ihm gehabt.“ Herr
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