Schön und ungezähmt
Kutsche hatte direkt vor der Mietdroschke gehalten, die sie sich genommen hatte, und einige junge Frauen waren ausgestiegen. Sie hatte sich schon gefragt, wie sie überhaupt ohne Einladung in das Stadthaus gelangen sollte. Aber es war leicht gewesen, den Frauen ins Innere zu folgen.
»Mylord …«, begann sie.
Er schnitt ihr grob das Wort ab. »Ich habe keine Ahnung, warum Ihr hier seid. Aber bis wir in Sicherheit sind, sagt Ihr kein Wort mehr. Und um Himmels willen, zieht Eure Kapuze über den Kopf.«
Sie hatte von vornherein einen Verweis und den Unmut ihrer Eltern riskiert, als sie sich vom Ball fortstahl, um ihn zu suchen.
Wenn sie nicht das verzweifelte Verlangen verspürt hätte, mit ihm zu sprechen, hätte sie es nicht getan.
Er warf sie geradezu in die Kutsche, hämmerte kurz gegen die Decke, nachdem er eingestiegen war, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Er starrte sie von der anderen Seite des beengten Raums an. Seine Brauen waren wütend zusammengezogen. »Würde es Euch etwas ausmachen, mir zu erklären«, sagte er durch zusammengebissene Zähne, »was in Euch gefahren ist, einfach bei Housemans Party aufzutauchen? Ich weiß ganz sicher, dass Ihr nicht eingeladen wart. Wart Ihr nicht wohlbehalten mit Euren Eltern bei den Tallers?«
Rebecca öffnete den Mund, um ihm eine Antwort zu geben, doch er schnitt ihr das Wort ab.
»Ich habe Euch den ganzen Abend beobachtet.« Seine blauen Augen glitzerten. »Ihr müsst ja mit jedem anwesenden Gentleman getanzt haben.«
»Ihr habt mich ja nicht gefragt.« Ihre Stimme war leise.
»Natürlich nicht.«
Natürlich nicht. Diese zwei Worte taten ihr weh, und sie hob ihr Kinn.
Aber er hatte mit ihrer Mutter getanzt. Bestimmt bedeutete das etwas. Das allein hatte ihr den Mut gegeben, ihm zu folgen.
Robert sprach weiter. Er kam jedem ihrer Einwände zuvor, obwohl sie nicht sicher war, ob sie wusste, was sie überhaupt erwidern sollte. »Und was Eure Ankunft in dem Haus vor einigen Minuten betrifft – falls Ihr es nicht bemerkt habt, beschreiten die anderen anwesenden Ladys einen etwas anderen Lebensweg als Ihr. Lasst uns einfach nur beten, dass Euch niemand gesehen hat.«
Es stimmte, sie hatte keine der Frauen erkannt, aber sie hatten kostbare Kleider getragen, und …
Oh. Nein.
Jetzt dämmerte es ihr.
»Ja, genau.« Er interpretierte ihren erschrockenen Gesichtsausdruck und ihr unwillkürliches Schnappen nach Luft richtig. »Das ist genau das, was ich meine. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt auf gewisse Weise, und sie wurden engagiert, um … Nun, ich brauche nicht mehr zu sagen, denke ich. Rebecca, warum wart Ihr bloß dort?«
Sie presste die Hände in ihrem Schoß so fest zusammen, dass ihre Knochen schmerzten. »Ich habe gehört, wie einige Gentlemen von dieser Party sprachen. Sie erwähnten Euren Namen, weil auch Ihr zu den geladenen Gästen gehörtet, und dass die Party wohl Euer Ziel gewesen sei, als Ihr so plötzlich verschwandet. Ich wusste ja nicht …« Sie zögerte.
Seine Miene war so steinern wie die einer Marmorstatue.
»Ich wollte so gern mit Euch reden«, fügte sie hinzu. Auch in ihren Ohren hörte sich die Entschuldigung kläglich an.
»Wolltet Ihr das so sehr, dass Ihr unter Umständen Euren Ruf irreparabel ruiniert hättet?«, fragte er säuerlich. Er schüttelte den Kopf und wandte sich von ihr ab. Einen Moment lang starrte er auf die Seitenwand der Kutsche. »Das hier«, sagte er schließlich mit wohlüberlegtem Nachdruck, »ist schlicht eine Katastrophe.«
Sie fürchtete, er könne recht haben, aber sie richtete sich kerzengerade auf. »Alles, was ich weiß, ist, dass es eine Party war, zu der meine Eltern nicht gehen wollten. Ich habe geglaubt, ich bekäme wenigstens die Gelegenheit, mit Euch zu sprechen, wenn ich mich hineinschleiche. Ich hatte wirklich keine Ahnung …«
»Was glauben sie, wo Ihr seid?« Wieder unterbrach er sie fast unhöflich. Rebecca bekam langsam einen ziemlich genauen Eindruck
davon, was ihre rücksichtslose Idee sie kosten könnte. Sie spürte, wie ihr schwindelig wurde.
»Ich habe ihnen gesagt, ich würde mit Arabella und ihrem Mann zu einer anderen Veranstaltung gehen.«
»Mit anderen Worten, Ihr habt Eure Eltern getäuscht.«
Ja, das hatte sie, obwohl sie sich damit entschuldigt hatte, dass es mehr eine Notwendigkeit und keine Lüge war. Sie nickte.
Er flüsterte ein Wort, das sie noch nie gehört hatte, aber er sprach nicht leise genug, und sie fragte sich, was es bedeutete. Es
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