Schön und ungezähmt
Gedanke, der auch Robert mehr als einmal gekommen war, und wenn er ehrlich war, bereitete ihm die Vorstellung ein gewisses Unbehagen.Wenn es sogar Colton passierte … nun, dann konnte es jedem passieren.
Vielleicht sogar ihm?
Er erwiderte trocken: »Ich glaube nicht, dass er seine Ehe jetzt schon so betrachtet. Er denkt wahrscheinlich eher, er habe eine
praktische Wahl getroffen. Brianna ist jung, schön und stammt aus guter Familie. Das sind die drei Anforderungen, die er an eine Braut stellt. Und wenn man es so betrachtet, sieht es tatsächlich so aus, als hätte er seine Pflicht erfüllt und eine Frau zur Duchess gemacht, die seinem illustren Titel dient. Wie auch immer: als einer der Menschen, die diese Beziehung beobachten, seit sie einander vorgestellt wurden, kann ich gewiss mit Fug und Recht behaupten, dass er inzwischen anders auf sie reagiert. Vollkommen anders jedenfalls als auf jene einfältig lächelnden Mädchen, die ihm ständig von den übereifrigen Müttern unter die hochgetragene Nase gerieben wurden. Er zeigte sogleich Interesse an ihr, und ich bin glücklich, sagen zu dürfen, dass es auf Gegenseitigkeit beruht. Eins der Dinge, die ich an Brianna am meisten mag, ist, glaube ich, die Tatsache, dass sein Titel für sie unbedeutend ist.«
»Als Mann, der zurzeit der Erbe des herzoglichen Titels ist, lässt sie das in meiner Achtung steigen.« Damien nahm einen ordentlichen Schluck Claret und fügte hinzu: »Junge Damen, die auf der Jagd nach Titeln und Vermögen sind, beängstigen mich auf eine Weise, die keine Abteilung des französischen Heers überbieten könnte.«
»Glücklicherweise sind wir vor solchen jungen Damen sicher, sobald Brianna Colton einen Erben schenkt.«
»Lass uns hoffen, dass das bald geschieht.«
Da er sich jetzt wieder an Coltons Beunruhigung erinnerte, mit der er sich über die Abenteuerlust seiner Frau im Bett geäußert hatte, musste Robert leise lachen. »Ich glaube, sie arbeitet tatsächlich daran.«
Damien hob die Brauen. »Sie klingt wie eine wirklich bezaubernde junge Dame. Erzähl mir, wer steht sonst noch auf der Gästeliste für die Landpartie?«
»Ich habe nicht gefragt, aber soweit ich Colton verstanden habe, werden nur Familienmitglieder und einige enge Freunde zugegen sein.«
Enge Freunde. Während er es aussprach, fragte Robert sich müßig, ob wohl auch die hübsche, blauäugige Miss Marston zur Landpartie eingeladen war. Wenn er Colton glauben konnte, war die junge Lady eine von Briannas Vertrauten, zusammen mit der Countess of Bonham. Andrew Smythe, der Earl of Bonham, hatte gestern Abend am Rande erwähnt, dass er und seine junge Braut an den Festlichkeiten teilnehmen würden. Dann war vielleicht auch Rebecca Marston dort?
Nicht, dass es wirklich wichtig wäre, ob sie kommt oder nicht, dachte Robert. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte die Beine aus. Das Interesse, das sie bei ihm geweckt haben mochte, war nur erwacht, weil sie auf eine unschuldige, rehhafte Art attraktiv war. Vielleicht war er so sehr an die weltgewandten Praktiken seiner Gefährtinnen gewohnt, dass der Unterschied etwas in ihm berührt hatte.
Aber er dachte weiterhin über sie nach. Schlimmer noch, er hatte auf den letzten Abendveranstaltungen, an denen er teilnahm, nach ihr Ausschau gehalten. Mit dem dunklen Haar und der eleganten Gestalt war sie leicht auszumachen, und er fragte sich, warum er ihr in der Vergangenheit nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Gestern Abend hatte er – nach dem Genuss einiger Brandys allerdings – sogar darüber nachgedacht, sie um einen Tanz zu bitten.
Zum Glück war diese Verrücktheit nur von kurzer Dauer, obwohl er den Ballsaal bereits halb durchquert hatte, ehe er erkannte, was er da gerade tat, und er wieder zu Sinnen kam. Die Kolumnisten der Klatschblätter hätten großes Vergnügen daran
gehabt, wenn man ihn mit einer unschuldigen, jungen Lady tanzen gesehen hätte, deren Keuschheit bisher außer Frage stand.
»Eine kleine Party?«, unterbrach Damien seine Gedankengänge. »Das passt mir besser als eine große Veranstaltung. Ich bin völlig aus der Übung, was den gesellschaftlichen Umgang betrifft. Bitte sag mir, dass keine heiratsfähigen, jungen Frauen zugegen sind, obwohl ich das verdammte Gefühl habe, dass genau das der Fall sein wird. Was ist schon eine Hausparty ohne ein paar einfältig lächelnde, junge Mädchen?«
Rebecca würde niemals einfältig lächeln. Das war eine beunruhigende Überzeugung, denn
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