Schönbuchrauschen
paar Jahren verstorben. Wie kommen Sie auf diesen Bruder?«
»Es hat uns jemand erzählt, dass Gerlinde Krumms älterer Bruder 1931 nach Brasilien ausgewandert ist und im Edelsteinhandel sehr reich geworden ist. Nach seinem Tod in den Sechzigern soll sie als seine einzige Verwandte sein Vermögen geerbt haben.«
»So ein Blödsinn! Wer hat Ihnen so was erzählt? Tante Gerlinde war immer eine arme Frau und ist es jetzt noch. Wir sagten oft zu ihr, dass sie Theo nicht so viel schenken soll. Sie brauchte ihr Geld für sich selber. Wenn sie nicht ein paar steinige Äcker geerbt hätte, die sie hat verkaufen können, dann wüsste ich nicht, wer jetzt das Pflegeheim bezahlen sollte. Sie arbeitete jahrelang in einer Schnellreinigung in Böblingen. Da verdient man nicht viel. Und das mit dem reichen Bruder ist eine verlogene Geschichte.«
»Das dachten wir uns schon. Aber dass ihr Sohn sich in gewisser Weise um sie kümmerte und für sie Geldgeschäfte erledigte, das stimmt doch?«
»So genau weiß ich das nicht, aber es könnte schon sein. Er war immer sehr lieb zu ihr. Und wenn sie jemand vertraut hat, ja, dann wohl Theo.«
Sie schaute nachdenklich vor sich hin und nickte abwägend. Es entstand eine Pause.
Kupfer räusperte sich schließlich und schnitt ein anderes Thema an.
»Warum ich eigentlich gekommen bin: Wir haben im Internet ein Foto gefunden, von dem wir etwas über das Umfeld Ihres Sohnes erfahren können. Und da wollte ich Sie um Ihre Hilfe bitten.«
Dabei reichte er ihr das Foto und fragte: »Zu wem gehörte Theo nun wirklich?«
»Tja, wenn ich das sagen könnte!« Erika Krumm seufzte tief. »Wissen Sie, das Schlimme für meinen Theo war, dass das mit den beiden Mädchen immer hin- und hergegangen ist. Die vier da« – sie deutete auf das Stocherkahnfoto –, »die haben sich in Tübingen kennengelernt, als Theo noch Medizin studiert hat. Mir hat er natürlich nicht alles erzählt. Aber ich habe schon gemerkt, dass er einmal mit der einen gegangen ist und dann wieder mit der anderen.«
»Warum? Konnte er sich nicht für eine entscheiden?«
»Soviel ich weiß, war Theo zuerst in Andrea verliebt, aber der wäre dieser Lipp da lieber gewesen. Und der nahm mit, was er kriegen konnte, einmal die Andrea, dann wieder die Laura. Und mein Theo war halt nur die zweite Wahl für die beiden Mädchen. Ich habe das alles nicht verstanden, bis Theo dann eines Tages völlig fertig zu mir kam. Das war das einzige Mal, dass ich ihn wirklich trösten musste. Sonst hat er ja alles mit sich selbst abgemacht. Aber damals war er lange Zeit mit Andrea zusammen gewesen und hat gemeint, dass sie bei ihm bleibt. Das hatte aber nur so ausgesehen, weil der Lipp damals für ein Jahr im Ausland war. Und dann kam der Kerl zurück und hat ihm die Frau ausgespannt. Und das Schlimmste für ihn kam dann noch hinterher. Andrea wurde schwanger, und dann ist der doch nicht bei ihr geblieben. Aber mein Theo wollte sie dann auch nicht mehr.«
»Hat er sich danach mit Laura Hensler getröstet?«
Sie nickte.
»Lipp hat ihm also die Frau ausgespannt. Ich dachte, die beiden waren Freunde.«
»Das ist schon lange vorbei. Nachdem Theo sein Medizinstudium aufgesteckt hatte, haben sich die beiden ja nicht mehr oft gesehen. Die trafen sich bloß noch, wenn eines der Mädchen was zu feiern hatte. Hier, sehen Sie, diese Stocherkahnfahrt war wahrscheinlich so ein Fest. Vielleicht hat die eine Geburtstag gehabt und die anderen alle eingeladen. Und Theo ging dann halt mit, ob er wollte oder nicht, weil er immer unsicher war und Angst hatte, dass er irgendwann allein dasteht. Er war unglücklich. Es ist zum Heulen.«
»Vielleicht ist alles doch nicht ganz so traurig, wie Sie es sehen. Etwas kann ich Ihnen noch sagen, was Sie vielleicht ein wenig tröstet. Laura und Theo waren anscheinend in letzter Zeit zusammen und wollten zusammenziehen. Theo war zuletzt vielleicht sogar ein bisschen glücklich.«
Erika Krumm traten die Tränen in die Augen.
»Das hätte ich mir so für ihn gewünscht. Aber dann … warum bloß, warum?«
»Wir wissen es noch nicht, aber wir werden es herausfinden. Noch eins wollte ich Sie fragen: Kennen Sie das dritte Mädchen auf dem Foto?«
»Das ist ’s Judithle, eine aus seiner Klasse. Die war einmal sein Schwarm, vielleicht sogar sein erster, Judith Schwenk.«
Sie schaute es einen Moment genau an und sagte dann: »Ich hab gar nicht gewusst, dass er in Tübingen noch Kontakt mit ihr hatte. Warten Sie mal einen
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