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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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fragte Seiler.
    Die beiden anderen schüttelten den Kopf.
    »Du machst das Kinderzimmer, dann siehst du auch gleich, was bei dir daheim vielleicht noch fehlt«, sagte Kupfer zu Seiler, dessen Frau in den nächsten Wochen ein Kind erwartete. Seiler grinste. Es freute ihn, dass er von seinen Kollegen als werdender Vater wahrgenommen wurde. Aberle und Kupfer ließen sich die Schlüssel für die Waschküche und den Kellerraum geben und stiegen die Treppe hinab.
    Als Seiler anklopfte, öffnete Andrea Lorenz wortlos die Tür und trat an das Bügelbrett zurück, das sie der Tür gegenüber aufgestellt hatte. Die kleine Mia saß inzwischen hier auf dem Boden zwischen konischen Plastikbechern verschiedener Farbe und Größe, die sie ziellos über den Parkettboden hin- und herschob und von einer Seite auf die andere drehte. Man hatte ihr wohl gezeigt, dass man diese Becher ineinanderstecken konnte, aber wie sie zusammengehörten, hatte sie noch nicht begriffen, weshalb sie sie durcheinanderwarf. Einen Moment sah sie mit großen Augen zu Seiler auf, dann nahm sie einen blauen Becher und streckte ihn ihm entgegen.
    »Du willst mit mir spielen?«, sagte er. »Aber ich habe leider keine Zeit für dich.«
    Er ging in die Hocke und legte den Becher in Reichweite des Kinds auf den Boden. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase. Das Kind hatte die Windel voll. Die Frau am Bügelbrett würdigte ihn keines Blickes. Sie tat, als sei er gar nicht da. Er richtete sich auf und überlegte, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, in diesem Babyzimmer fündig zu werden, und befürchtete, sich vor der jungen Frau lächerlich zu machen. In der Ecke hinter der Tür stand das kleine Kinderbett. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, ein Schlafsack und ein kleines Kissen lagen darin. Wie beiläufig hob Seiler die Bettdecke hoch, drückte überall auf die Matratze und warf dann einen Blick unter das Bettchen.
    »Man kann ja nie wissen«, sagte er laut, als müsse er sich für diese schlichte Suchaktion rechtfertigen. Die Frau ignorierte ihn weiterhin. Dann wandte er sich der Wickelkommode zu, einem etwas mehr als hüfthohen Schubladenschrank mit weiß lackiertem Wickelaufsatz. Darüber hing ein Wandbehang aus Großmutters Zeiten, ein blau umrandetes Viereck aus grobem hellem Leinen mit dem bunt gestickten Schriftzug »Kinder sind der Sonnenschein unseres Lebens«. So etwas ja nicht, nicht mal als Gag, dachte Seiler, auch wenn es zehnmal ein Erbstück sein sollte. Links darunter war die halbe Wickelauflage mit Wäsche belegt, die aufs Bügeln wartete.
    Als Seiler die Schubladen aufzog und sich durch Hosen, Hemdchen, Mützchen, Mäntelchen, Schuhchen, Strümpfchen, Babykosmetik und Feuchttücher wühlte, fing Mia an zu quengeln. Sie sah ihre Mutter an, stand auf, ging zu ihr hin und umklammerte ihr Bein. Seiler zog gerade die unterste Schublade auf und wollte sich durch die verschiedenen Windelpakete arbeiten, da stand plötzlich Andrea Lorenz mit dem Kind auf dem Arm hinter ihm.
    »Entschuldigung, ich muss die Kleine wickeln. Sie stinkt.«
    Schikane, dachte Seiler, damit könnte sie noch ein paar Minuten warten. Aber er schob freundlich lächelnd die Schublade wieder zu und trat zwei Schritte zurück, blickte aber der jungen Frau interessiert über die Schulter.
    »Haben Sie Kinder?« Die Frage kam sehr plötzlich.
    »Noch nicht. Aber bald.«
    »Dann schauen Sie mal zu, was Sie erwartet.«
    Sie zog dem Kind die Latzhose aus und löste die Windel von dem kleinen Körper. Seiler verzog das Gesicht. Der säuerliche Geruch war ihm zu viel. Er wäre jetzt gerne hinausgegangen.
    »Ooooch, mein Schätzchen hat Durchfall«, flötete die junge Mutter, hielt das Kind mit einer Hand an den Beinchen fest und faltete mit der anderen die volle Windel zusammen.
    »Das war aber nötig. Du hast dich ja überall vollgemacht.«
    Das Kind war wund und jammerte etwas, als es saubergemacht wurde.
    »Und jetzt wird alles gut«, sagte die Mutter schließlich und griff nach der Babycreme. Das Kind schien sich beruhigt zu haben.
    »Brave, süße, kleine, liebe Miamein«, säuselte die Mutter und beugte sich über ihr Kind, das sich offensichtlich nun sehr wohl fühlte. Sobald seine Mutter sich wieder aufrichtete und es losließ, zog es seine Beinchen an und rollte mit einer blitzartigen Bewegung nach links auf den Haufen Bügelwäsche zu. Dabei streckte es sich wieder ruckartig und kickte den halben Wäscheberg vom Tisch. Ein metallischer

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