Schönbuchrauschen
sagten sie, dann sollten wir uns mit ihnen gutstellen. Vor allem Judith war sehr witzig. Das Mädchen war pfiffig. Wir haben sehr viel gelacht an diesem Nachmittag.«
»Und wie ging es dann mit den beiden weiter?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Wir haben uns aus den Augen verloren. Er ging kurze Zeit später von Tübingen weg, ich glaube nach Berlin, und so hat sich der Kontakt aufgelöst. Sie haben Glück, dass ich das Foto nicht schon lange herausgenommen habe. Vielleicht hänge ich dran, weil es mich an meine Examensfeier erinnert. Und so ist es halt: Man postet immer wieder mal was Neues und vergisst ganz, die alten Bilder herauszunehmen, obwohl sie niemand mehr anguckt. Aber jetzt scheint das Foto auf einmal noch einem guten Zweck zu dienen.«
»Ja, als Anhaltspunkt für uns. Halten Sie es für möglich, dass Judith Schwenk und Lipp später ein Paar waren?«
»Davon weiß ich nichts. Ich hatte ja schon jahrelang keinen Kontakt mehr mit ihm. Aber möglich wäre es schon. Diese Judith war ja sehr attraktiv, und Lipp war für solche Reize durchaus empfänglich. Und falls sie beide in Tübingen waren, warum nicht?«
»Noch eine wichtige Frage: Hatten Sie den Eindruck, dass Theo Krumm und Judith Schwenk einander kannten?«
»Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen. Wenn ich jetzt nicht das Foto wieder angeschaut hätte, hätte ich diesen Typ völlig vergessen. Er sagte nicht viel, er wirkte sehr gehemmt, auch wenn er auf dem Bild so tut, als wäre er ganz locker. Aber abgesehen davon hatte ich schon den Eindruck, dass sich alle andern seit langem kannten. Aber ob Judith und dieser Theo einander kannten, das kann ich wirklich nicht sagen. Mehr weiß ich nicht. Ich hoffe, ich habe Ihnen ein bisschen geholfen. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, dann dürfen Sie mich gerne anrufen. Sprechen Sie auf meinen Anrufbeantworter, dann rufe ich zurück«, schloss Halbritter das Gespräch ab.
»Jedes Bisschen hilft. Vielen Dank. Auf ein eventuelles Wiederhören«, sagte Feinäugle, legte auf und hielt ein paar Punkte schriftlich fest.
Die Gesichtserkennungssoftware und der Experte, der damit operierte, hatten ganze Arbeit geleistet. Er hatte alle Gesichter auf dem Foto, eins nach dem anderen, eingerahmt, angeklickt und durchs Internet gejagt und lieferte nun eine CD ab, deren Bilderbestand eine anstrengende Sichtung benötigte.
»Um Gottes Willen! Wie viele Bilder sind das?«
»Hunderte, befürchte ich. Solche Typen wie Lipp hinterlassen eben eine breite Spur«, sagte Feinäugle zufrieden. »Ich klick mich durch und kopiere heraus, was für uns interessant ist. Aber das kann dauern.«
Lipps breite Spur führte zum einen an berühmte Orte wie New York, Sydney, Kalifornien, wo er sich vor dem Hintergrund markanter Monumente hatte fotografieren lassen. Zum anderen war er beim Surfen und Skilaufen zu sehen, und eine ganze Reihe von Fotos zeigte ihn beim Tennis: Aufnahmen von Rückhand- und Überkopfschlägen, vom Einzel- und Doppelspiel und natürlich auch vom After-Match-Drink.
Ein Foto schien Feinäugle besonders interessant: Es zeigte Lipp, wie er zusammen mit einem gleichaltrigen Mann und zwei Frauen auf der Terrasse eines Cafés saß und fröhlich in die Kamera lachte. Alle vier waren im Tennisdress. Er druckte es aus und zeigt es Kupfer.
»Schau mal, Lipp beim Drink nach einem Match im gemischten Doppel.«
Kupfer warf nur einen flüchtigen Blick auf das Foto. Dann umfasste er seinen Kopf mit beiden Händen und schüttelte ihn gleichzeitig. Feinäugle schaute ihn mit offenem Mund verwundert an.
»Was bin ich für ein Esel! Na ja, es ging mir nicht so gut bei dem Gespräch«, sagte Kupfer vor sich hin und begann hektisch in seinen Unterlagen herumzukramen.
»Willst du mir nicht sagen, was ist?«
»Doch, gleich, einen Moment bitte.«
Er blätterte sich durch einen vollgeschriebenen Notizblock.
»Hier, da habe ich es eigenhändig aufgeschrieben: ›Tennispartnerin Jude oder Judy, sehr sportlich.‹ Das hat mir Dr. Breitfeld erzählt. Jetzt ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. ›Judith‹ war dem Lipp wohl zu biblisch, ist ja auch nicht so cool wie ›Jude‹ oder ›Judy‹. Vielleicht habe ich es deshalb übersehen, oder ich werde jetzt doch zu alt für unsern Job.«
»Blödsinn«, versuchte Feinäugle ihn zu trösten. »Das hast du doch an dem Tag aufgeschrieben, an dem du aus Versehen mit der S-Bahn bis Herrenberg gefahren bist?«
»Ja, allerdings.«
»Dann mach dir deswegen keinen
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