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Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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still und warm.
    »War es nicht wundervoll?« meinte Monisma Haeckel.
    -92-

    »Einfach wundervoll?« Sie sah Sigmund hingerissen an, aber ihre Verzückung war frei von Unruhe oder Erregung; denn
    Erregung bedeutet mangelnde Befriedigung, wogegen ihr die stille Ekstase der Erfüllung zuteil geworden war, nicht bloße Sättigung und Auflösung,
    sondern der Friede der
    Ausgeglichenheit,
    der im Gleichgewicht ruhenden
    Lebensenergien. Ein üppiger, lebensvoller Friede.
    Denn die Eintrachtsandacht gab, wo sie empfing; sie nahm nur, um zu schenken. So hatte auch Monisma ihr Wesen erfüllt, vollkommen gemacht, sie war auch jetzt noch mehr als nur sie selbst. »Fanden Sie es nicht auch wundervoll?«
    wollte sie durchaus wissen und sah Sigmund mit
    übernatürlich leuchtenden Augen an.
    »Ja, ich fand es wundervoll«, log er und sah weg. Der Anblick ihres verklärten Gesichts war zugleich Vorwurf und höhnende Erinnerung an seine eigene Besonderheit.
    Er war jetzt ebenso unerträglich einsam wie vor der Andacht -
    sogar noch mehr, wegen der unaufgefüllten Leere in ihm, der schalen Sättigung. Abgesondert und unentsühnt, während die anderen zum Größeren Sein verschmolzen waren. Einsam sogar in Morganas Umarmung, ja noch einsamer, noch hoffnungsloser er selbst als je zuvor. Aus dem purpurnen Dämmerlicht war er mit einem bis zur Qual verstärkten Wissen um sich selbst in das gewöhnliche grelle elektrische Licht hinausgetreten. Er fühlte sich restlos elend; und vielleicht - Monismas leuchtende Augen klagten ihn an - , vielleicht war es seine eigene Schuld.
    »Wirklich wundervoll!« wiederholte er. Aber er konnte an nichts anderes denken als an Morganas Braue.
    -93-

    Sechstes Kapitel
    »Merkwürdig, sehr, aber schon sehr merkwürdig«, lautete Leninas Urteil über Sigmund Marx. So merkwürdig, daß sie in der Tat während der folgenden Wochen mehr als einmal
    überlegte, ob sie nicht lieber, statt nach Neumexiko, doch mit Benito Hoover zum Nordpol fliegen solle. Das Dumme dabei war nur, daß sie den Nordpol schon kannte, erst ve rgangenen Sommer mit Fordlieb Edison dort gewesen war und - das
    Allerdümmste! - die Gegend äußerst öde gefunden hatte. Keine Unterhaltung, das Hotel unmöglich altmodisch, Schlafzimmer ohne Fernsehapparat, keine Duftorgeln, nur die abgestandenste Kondensmusik und im ganzen nicht mehr als fünfundzwanzig Rolltreppenkegelbahnen für über zweihundert Gäste. Nein, noch einmal auf den Nordpol, das hielte sie entschieden nicht aus. In Amerika war sie dagegen nur einmal gewesen, und das auch nur auf vollkommen unange messene Art und Weise. Ein billiges Wochenende in New York mit Jean-Jacques Rathenau, oder war es Bokanowsky Liebig gewesen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Es war auch gar nicht wichtig.
    Die Aussicht, wieder nach Amerika fliegen zu können, noch dazu für eine volle Woche, war höchst verlockend.
    Und vor allem würden sie mindestens drei Tage in der
    Wildenreservation verbringen. Aus der ganzen Zentrale waren nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute je in einer Reservation gewesen. Sigmund, als alpha-plus Psychologe, war einer der wenigen Männer ihrer Bekanntschaft, die Anspruch auf eine Besuchserlaubnis hatten. Eine einmalige Gelegenheit für sie.
    Andererseits war auch Sigmunds Eigenart etwas so Einmaliges, daß sie fast gezögert hatte, die Gelegenheit zu ergreifen, und nahe daran gewesen war, nochmals dem Nordpol in Gesellschaft des komischen guten Benito ins Auge zu blicken. Benito war wenigstens normal. Aber Sigmund...
    -94-

    »Alkohol im Blutsurrogat«, war Stinnis Erklärung für alles Ungewöhnliche. Henry dagegen, mit dem Lenina eines Abends im Bett ein bißchen besorgt über ihren zukünftigen Liebhaber gesprochen hatte, verglich den armen Sigmund mit einem
    Rhinozeros.
    »Man kann einem Rhinozeros nichts beibringen«, hatte er auf seine knappe, treffende Art gesagt. »Mancher Mensch ist fast wie ein Rhinozeros; er reagiert nicht ordentlich auf Normung.
    Sigmund ist so ein armer Teufel. Zum Glück ist er auf seinem Posten recht tüchtig, sonst hätte ihn der Direktor schon längst gefeuert. Übrigens«, schloß er aufmunternd, »halte ich ihn für recht harmlos.«
    Recht harmlos, vielleicht; aber auch recht beunruhigend. Vor allem dieser krankhafte Trieb, nichts öffentlich zu tun. In der Praxis lief das alles darauf hinaus, überhaupt nichts zu tun. Denn was konnte man im Grunde nicht öffentlich tun, außer,
    natürlich, mit jemandem zu schlafen; und das konnte

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