Schoene, raetselhafte Becca
zerbrachen klirrend auf dem Fußboden.
„Oh, Mist“, fluchte die Kellnerin.
Unwillkürlich musste Trace grinsen. Er rutschte vom Barhocker. „Kann ich helfen?“, fragte er.
„Danke. Ich …“ Sie sah vom Boden auf, betrachtete seine Jeans und ließ den Blick höher wandern. Als sie ihn erkannte, wurde ihr freundlicher Blick abweisend, als hätte er ihr die Gläser persönlich vom Tablett gefegt.
Er glaubte, einen Anflug von Panik wahrzunehmen. Sofort war seine Neugier geweckt.
„Ich schaffe das allein. Danke, Officer.“ Ihre Stimme war genauso kalt wie der Schneeregen, der vor dem Fenster auf die Straße fiel.
Trotz ihres Protests hockte er sich neben sie und begann, die Glasscherben einzusammeln. „Kein Problem. Diese Tabletts können ganz schön rutschig sein.“
Er kam ihr so nahe, dass ihm ihr Duft in die Nase stieg – etwas Frisches und Blumiges, das ihn an eine Bergwiese an einem Julinachmittag erinnerte. Sie hatte einen geschwungenen Mund, und einen verrückten Moment lang verspürte er den Wunsch, eine Locke, die ihr in die Stirn gefallen war, beiseitezuschieben und diesen Mund zu küssen. Vermutlich sollte er weniger Zeit bei der Arbeit und mehr in Gesellschaft des anderen Geschlechts verbringen, wenn er schon auf solche Gedanken bei einer Frau kam, die ihm eigentlich unsympathisch war, egal, wie gut sie aussah. „Ich bin Trace Bowman. Sie sind wohl neu in der Stadt.“
Sie antwortete nicht sofort, und er konnte förmlich spüren, wie sich ihre Gedanken überstürzten. Warum zögerte sie? Und warum lag in ihrem Blick ein gewisses Unbehagen? Offenbar fühlte sie sich in seiner Gegenwart unwohl. „Ja. Wir sind erst ein paar Wochen hier“, antwortete sie schließlich.
„Ich habe gehört, dass Wally Taylor Ihr Großvater war.“
„Ja.“ Sie klang immer noch abweisend.
„Der alte Wally war ein komischer Kauz. Ein Einzelgänger, aber ich habe ihn gemocht. Er hat mit seiner Meinung nie hinterm Berg gehalten – und aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht.“
„Davon weiß ich nichts.“ Sie wich seinem Blick aus. Er legte den Kopf schräg. Sah sie auf einmal traurig aus? Was steckte dahinter? Vor Jahren hatte es einmal geheißen, dass Wally und sein einziger Sohn sich auseinandergelebt hatten. Falls das so war, wäre es unfair, der Tochter des Sohnes Vorwürfe zu machen, weil sie sich nicht um ihren Großvater gekümmert hatte.
Er sollte sich mit Urteilen zurückhalten, solange er die Frau nicht kannte. Daher beschloss er, sie genauso freundlich zu behandeln wie alle Menschen in Pine Gulch. „Na ja, ich arbeite ganz in der Nähe – in dem weißen Haus mit dem Schindeldach – falls Sie oder Ihre Tochter irgendwelche Hilfe brauchen.“
Sie schaute kurz zu dem Mädchen hinüber, das immer noch mit seinem Buch beschäftigt war. „Vielen Dank. Sehr freundlich von Ihnen, Officer. Ich werde daran denken. Und danke, dass Sie mir beim Aufsammeln der Scherben geholfen haben. Ich hoffe, dass ich mich bald nicht mehr so ungeschickt benehme.“
„Bestimmt nicht.“ Lächelnd legte er die letzte Glasscherbe auf das Tablett.
Sie erwiderte sein Lächeln nicht, doch er hatte den Eindruck, dass sie etwas von ihrem Misstrauen verloren hatte, als sie an die Durchreiche trat, um eine weitere Bestellung von Lou entgegenzunehmen.
Vielleicht sollte er ein paar Erkundigungen über sie einziehen. Warum musste eine Frau, die offensichtlich überhaupt keine Erfahrung als Kellnerin hatte, aber schicke Klamotten und teuren Schmuck trug, ihr Geld in einer Kneipe verdienen? War sie auf der Flucht? Vor einer kaputten Ehe? Einem gewalttätigen Ehemann?
Rund um die Feiertage gab es häufiger Familienstreitereien, zu denen er als Schlichter gerufen wurde. Darüber wollte er jetzt lieber nicht nachdenken. Das kleine Mädchen sah zu klug und unschuldig aus, um mit so hässlichen Dingen konfrontiert zu werden. Und die Mutter eigentlich auch.
Rebecca Parsons. Becca. Nicht Becky. Eine faszinierende Frau. So eine hatte er schon lange nicht mehr in Pine Gulch gesehen.
Er nippte an seinem Saft und beobachtete sie dabei, wie sie Jolene Marlow Eier und Speck servierte. Kurz darauf stand sie wieder an der Durchreiche und entschuldigte sich bei Lou. Die Kundin habe Würstchen verlangt, doch sie habe vergessen, es aufzuschreiben.
„Hat sie eigentlich schon mal gekellnert?“, wollte Trace von Donna wissen und deutete mit dem Kopf zu Becca, die gerade einem anderen Gast Kaffee nachschenkte.
Donna seufzte.
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