Schoene, raetselhafte Becca
die Luft wie elektrisch aufgeladen, wenn sie in seiner Nähe war, und er befürchtete, dass alle es im Lokal mitbekommen würden. Schließlich wandte sie den Blick ab und wäre fast gestolpert bei dem Versuch, sich eilig zurückzuziehen.
Der Bürgermeister sagte etwas zu Trace, und er riss sich zusammen, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. In Gedanken war er jedoch immer noch mit Becca und Gabi beschäftigt.
Er hatte sie nicht ausgeschimpft. Stattdessen hatte er ihr erzählt, wie er und sein Zwillingsbruder ihre Lehrer zu täuschen versuchten, indem sie die Plätze im Klassenzimmer tauschten. Sein Bruder hatte die Idee gehabt, weil an diesem Tag drei Arbeiten anstanden, auf die er nicht vorbereitet war.
Gabi hatte gelacht, aber Trace war nicht entgangen, dass sie wegen ihres Verhaltens immer noch bedrückt war. Er hatte ihr auch gesagt, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird und dass man unangenehme Dinge so schnell wie möglich hinter sich bringen sollte. Später würde sich meistens herausstellen, dass alles nicht so schlimm war, wie man befürchtet hatte.
Zunächst einmal würde sie bestimmt keine leichte Zeit in der Schule haben, aber eines Tages wären diese Lügen vergessen und vergeben.
Irgendwie konnte er Gabi sogar verstehen. Er wusste, wie man sich fühlte, wenn man etwas aus tiefstem Herzen bedauerte. So war es ihm ergangen, als er diesem hinterlistigen Biest Lilah Bodine verfallen war. Sie hatte mit den Verbrechern, die seine Eltern ermordet hatten, unter einer Decke gesteckt, und er war ihr auf den Leim gegangen.
Trace hatte damit gerechnet, dass seine Geschwister ihm schwere Vorhaltungen machen würden, weil er in gewisser Weise mitschuldig am Tod der Eltern geworden war – jedenfalls redete er sich das ein –, aber sie hatten ihm überhaupt nichts vorgeworfen. Warum sie es nicht getan hatten, wusste er bis heute nicht – aber er war ihnen zutiefst dankbar für ihre Nachsicht.
Er verdrängte den Gedanken, während er Becca dabei beobachtete, wie sie Gabi in ihren Mantel half und ihr den Ranzen um die Schulter schnallte. Worüber sie redeten, konnte er nicht verstehen, aber er sah, wie Becca ihre Tochter umarmte. Und dann hörte er doch einige Worte. „Tut mir leid, Schatz, aber da musst du jetzt durch.“
Gabi seufzte und trottete zur Tür. Sie sah aus, als würde sie zu ihrer eigenen Hinrichtung gehen. Als sie an seinem Tisch vorbeikam, griff er nach ihrer Hand. „Alles wird gut, Gabi“, versicherte er ihr. „Ein Mädchen, das einen so großen Tannenbaum aufstellen kann, wird mit so etwas fertigwerden.“
Obwohl er sie nicht überzeugen konnte, lächelte sie flüchtig. Ihr Blick traf ihn mitten ins Herz. „Danke“, murmelte sie.
„Gern geschehen.“
Als er aufschaute, sah er, dass Becca ihn und Gabi beobachtete. Der Ausdruck in ihren Augen war unergründlich. Als Gabi die Tür erreicht hatte, rief Becca ihr zu, sie möge einen Moment warten. Dann wandte sie sich an Donna, die hinter der Theke beschäftigt war. „Donna, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich heute etwas früher Pause mache und Gabi zur Schule bringe? Es schneit gerade ziemlich heftig.“
„Kein Problem“, erwiderte die alte Frau. „Ich übernehme Ihre Tische solange.“
Trace saß allein am Tisch, als Becca zurückkehrte – der Bürgermeister war inzwischen gegangen – und aß sein Omelett auf.
Becca wirkte angespannt.
Am liebsten hätte er sie an den Händen gepackt, auf den Stuhl neben sich gezogen und den Arm um ihre Schulter gelegt. Sie lächelte zerstreut und eilte an ihm vorbei. Kurz darauf tauchte sie wieder hinter der Theke auf und band sich die Schürze zu.
Eigentlich hätte er längst auf der Wache sein müssen, aber er zögerte. Ehe er ging, wollte er noch ein paar Worte mit ihr wechseln. Er sah ihr zu, wie sie von Tisch zu Tisch eilte und Kaffee nachschenkte. Schließlich kam sie auch zu ihm.
„Offenbar hat der Bürgermeister die gesamte Rechnung übernommen. Noch Kaffee?“
Trace schaute auf ihren Mund. Am liebsten hätte er ihn hier und jetzt geküsst. Er räusperte sich. „Danke, ich muss los. Ist Gabi heil in der Schule angekommen?“
Ihr Lächeln erstarb, und ihr Blick umwölkte sich. „Ich habe gewartet, bis sie in der Schule war. Jennie Dalton hat sie am Eingang begrüßt. Ich weiß allerdings nicht, wie es in der Pause sein wird, wenn alle Bescheid wissen.“
Trace schwieg.
„Sie hat mir gesagt, was du ihr erzählt hast – dass man mutig sein muss,
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